Soljanka (German Edition)
dem
ärztlichen Bericht vermerkt. Erst habe ich ihm gar keine Beachtung geschenkt,
die Abtreibung als solche überlagerte jeden anderen Gedanken. Aber eines Tages,
als ich mich mal wieder in die Unterlagen vertieft hatte, machte es klick.
Angela hat Blutgruppe null, so wie ich. Das war zwar noch kein Beweis, dass sie
meine Tochter ist, aber es war immerhin möglich. Die Möglichkeit, etwas mehr
Gewissheit zu bekommen, ließ mich nicht mehr los. Als ich Dembski mal in einer
Kneipe über den Weg gelaufen bin, habe ich eine Schlägerei angezettelt. Um
ehrlich zu sein, nicht die eleganteste Idee meines Lebens. Er hat mich ganz
schön vermöbelt, aber ich konnte auch einen schönen Schlag auf seiner Nase
landen und hatte sein Blut auf meinem Ärmel. Blutgruppe AB ,
damit war klar, er konnte nicht Angelas Vater sein. Ab da habe ich darauf hingearbeitet,
Angela zu mir zu holen.«
Stamm sah den stämmigen Mann im Türrahmen fasziniert an. »Und Sie
glauben, bei Dembski hat es auch klick gemacht, als er die Blutgruppe seiner
vermeintlichen Tochter auf dem ärztlichen Bericht gesehen hat? Sie sagen ja selbst,
es sei unauffällig gewesen.«
»Ich bin hundertprozentig davon überzeugt«, sagte Bach. »Dembski war
darin geschult, so etwas zu erkennen. Und überlegen Sie mal, was der alte
Lebzien Jahre später erzählt hat! Ich bedauere nur, dass ich erst so spät davon
erfahren habe.«
»Immer noch Rachegelüste?«, fragte Stamm.
»Haben Sie Kinder?«, fragte Bach zurück.
»Noch nicht.«
»Dann stellen Sie sich die Frage, sobald Sie Vater sind.«
»Ich glaube, ich kann das auch so nachempfinden«, sagte Stamm. »Ich
hätte wahrscheinlich alles darangesetzt herauszufinden, wer die drei
Dreckskerle waren.«
Bach sah Stamm nachdenklich an. Dann schweifte sein Blick zur
Kaffeemaschine. »Oh, der Kaffee ist lange durch.«
Er ging zur Anrichte, griff sich zwei Becher und füllte sie.
»Wie war das noch mal? Zucker, Milch?«
»Ein Teelöffel Zucker«, sagte Stamm.
Bach öffnete einen Flügel der Anrichte, holte ein Zuckerdöschen
heraus, schaufelte einen Teelöffel voll in einen der beiden Becher, kam mit den
dampfenden Gefäßen zum Tisch und setzte sich wieder Stamm gegenüber.
Stamm umfasste seinen Becher mit seinen klammen Händen, dann ließ er
los und betrachtete ihn. Es war ein kitschiges Ding mit einem Mozart-Porträt
drauf. Er sah Bach an, der gerade einen Schluck getrunken hatte und den Becher
nun wieder auf dem Tisch abstellte. Für sich selbst hatte er einen mit dem
Drachenmotiv gewählt, das Stamm schon bei seinem ersten Besuch aufgefallen war.
»Schöne Becher«, sagte Stamm.
»Na ja, geht so«, grunzte Bach. »Souvenirs.«
»Der hier ist aus Salzburg, schätze ich.« Stamm zeigte mit dem
Finger auf Mozart.
»Mhm.«
»Und der?«
»Thailand«, sagte Bach, während er Stamm ausdruckslos ansah.
»Hab ich mir gedacht«, sagte Stamm.
Epilog
Der erste warme Frühlingstag fiel ausgerechnet auf einen
Sonntag und hatte halb Düsseldorf ins Freie gelockt. Auf den sonnenbeschienenen
Rheinpromenaden, besonders den Hotspots in der Altstadt und in Kaiserswerth,
war ein Gewusel, das von oben betrachtet an Ameisenstraßen erinnern musste. Auf
dem schmalen Weg vom Kaiserswerther Markt zur Rheinfähre standen Radfahrer und
Inliner regelrecht im Stau, verursacht durch gemütliche Spaziergänger wie Eva
und Stamm.
Genervt vom Gedränge, waren die beiden die Treppe zum seit Jahren
schwer angesagten Biergarten des Burghofes hochgestiegen, hatten dort aber
keinen freien Platz gefunden. Sie waren weitergezogen zur gutbürgerlichen Alten
Rheinfähre, in deren riesigem, zum ersten Mal in diesem Jahr geöffneten
Biergarten es noch ein paar freie Tische gab – wenn auch im spärlichen Schatten
der noch laublosen Bäume und in vierter Reihe von der Uferlinie. Stamm hatte
Wanja angerufen und ihn über die Planänderung informiert.
Sie hatten ihre Stühle zwei Meter vom Tisch nach hinten versetzt, um
doch noch ein paar Sonnenstrahlen einzufangen. Eva hatte sich mit geschlossenen
Augen zurückgelehnt, während ein noch halb volles Latte-Macchiato-Glas, das sie
mit beiden Händen umfasst hielt, ihren Bauch wärmte. Stamm hatte sein
Weizenbier-Glas neben seinem Stuhl auf dem Boden abgestellt und beobachtete die
Wege rund um den Biergarten. Auf ihrem Tisch lag nur die Rheinische Post vom
Samstag.
Wanja und Corinna Metzger kamen mit der Fähre. Stamm beobachtete
sie, wie sie ihre Fahrräder die
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