Solo
Sonnenhitze geworfen und verzogen. Als er den Paß aufschlagen wollte, löste er sich unter seinen Händen auf.
«Herrgott!» sagte er auf Walisisch. «Das hat mir gerade noch gefehlt.»
«Ist das schlimm, Junge?» fragte Maria.
«Könnte sehr schlimm sein, Mutter. Könnte alles ändern. Muß sehen, was sich machen läßt.»
In der Villa hatte Katherine Riley gerade fertig gepackt, als das Telefon klingelte. Als sie den Hörer aufnahm, klang ihr Mikalis Stimme ins Ohr.
«Wie, du bist immer noch dort? Du müßtest jetzt schon in London sein.»
«Kein Problem», sagte sie. «Ich bin startbereit. Konstantin bringt mich mit dem Rennboot nach Hydra. Dort kriege ich das Halb-elf-Uhr-Tragflügelboot nach Piräus. Mit ein bißchen Glück werde ich die Maschine um halb zwei, unserer Zeit, schon erwischen.» Erstaunlich, wie ruhig sie sich fühlte. «Wie kommst du voran?»
«Phantastisch.» Seine Begeisterung war überschwenglich. «Previn ist ein Genie – der beste Dirigent, mit dem ich je zusammengearbeitet habe, aber wir werden noch so ziemlich den ganzen Tag brauchen, bis alles sitzt, mein Engel. Also mach dir keine Gedanken, wenn ich bei deiner Ankunft nicht da sein sollte. Du hast ja den Schlüssel. Versprich mir nur, daß du heute abend ganz bestimmt in der Loge sein wirst.»
Er legte auf. Sie blieb noch eine Weile stehen, den Hörer in der Hand, dann legte sie ihn auf die Gabel. Als sie sich umdrehte, stand Konstantin unter der Tür und beobachtete sie. In seinem Gesicht, in den dunklen Augen lag ein Ausdruck, als könne er geradewegs durch sie hindurchsehen. Als wisse er alles. Aber das war Unsinn.
Sie wies auf ihre beiden Koffer und nahm ihren Regenmantel über den Arm. «All right», sagte sie. «Ich bin so weit», und ging vor ihm durch die Tür.
Deville hatte sich vor dem Regen unter einem Baum am Rand des Hyde Park, dicht an der Park Lane, untergestellt und beobachtete Mikali, der in schnellem Tempo aus der Richtung der Serpentine gelaufen kam. Er trug einen schwarzen Trainingsanzug mit je einem scharlachroten Seitenstreifen an jedem Hosenbein. Kurz vor Deville machte er halt, stemmte die Hände in die Hüften und atmete mühelos.
Deville sagte: «Sie stecken nie auf, wie?»
«Macht der Gewohnheit», erwiderte Mikali. Er nahm gleichen Schritt mit Deville auf, und sie gingen gemeinsam den Weg entlang. «Also konnten Sie schließlich doch nicht widerstehen? Gut, daß ich noch einen zweiten Platz in Katherines Loge reservieren ließ.»
«Ist sie hier?» fragte Deville.
«Unterwegs. Ich habe sie heute früh auf Hydra angerufen. Sie wollte gerade aufbrechen.»
«Aha.» Deville nickte und ging ruhig weiter. «Also, nur damit wir uns recht verstehen. Ich bin nicht gekommen, um mir Ihr Konzert anzuhören, John. Ich bin gekommen, um Sie zu holen.»
Mikali blieb stehen, wandte sich ihm zu, und seine Hand glitt um den Griff der Ceska im Halfter, das er unter dem Trainingsanzug trug.
Deville hob abwehrend die Hand. «Nein, mein lieber, lieber Freund, sie mißverstehen mich.»
Er zog einen Umschlag aus der Tasche. «Tickets für uns beide. Die Nachtmaschine nach Paris, Abflug in Heathrow elf Uhr fünfzehn. Reichlich Zeit für Ihren Auftritt in der Albert Hall. Soviel ich weiß, wird am letzten Abend das Rachmaninow-Konzert ohnehin schon vor der Pause gespielt.»
«Und danach?»
«Wir kommen rechtzeitig in Paris an, um in eine AeroflotMaschine nach Moskau umzusteigen. Alles arrangiert. Heute stand im Paris Soir eine Notiz, wonach Sie planen, am Moskauer Konservatorium in der Meisterklasse zu unterrichten.»
Mikali stand da und blickte hinaus auf die Park Lane, dann wandte er sich um und schaute zurück zur Serpentine. Er holte tief Atem und hob das Gesicht dem Regen entgegen.
«Phantastisch», sagte er. «Die Morgenfrühe in London. Es gibt nichts, was dem gleichkäme. Außer, Sie haben ein Faible für diese feuchten Platanen in Paris.» Er legte Deville die Hand auf die Schulter. «Tut mir leid, Kamerad, aber da ist nichts zu machen.»
Deville zuckte die Achseln. «Sie haben noch einen ganzen Tag Zeit, es sich anders zu überlegen.»
«Einen ganzen Tag, der mit Proben ausgefüllt sein wird», sagte Mikali. «Ich muß mich sputen. Wenn Previn vor mir dort ist, wird er darauf bestehen, den Tee zu machen. Das tut er immer, und sein Tee ist miserabel.»
«Haben Sie etwas dagegen, wenn ic h Ihre Wohnung
Weitere Kostenlose Bücher