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Someone like you - Dessen, S: Someone like you

Someone like you - Dessen, S: Someone like you

Titel: Someone like you - Dessen, S: Someone like you Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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erleuchteten Küche auf mich wartete. Das hier war wichtig. Sehr, sehr wichtig.
    »Bitte«, flüsterte ich ins Telefon und wandte mich ab, so dass Ruth mein Gesicht nicht sehen konnte. Ich wollte nicht, dass diese mir fremde Frau noch mehr Mitleid mit mir hatte als sowieso schon. »Bitte komm her und hol mich ab.«
    »Halley.« Ihre Stimme klang jetzt erschöpft, fast gereizt. »Geh wieder schlafen. Ich rufe dich morgen an. Dann können wir über alles reden.«
    »Bitte sag, dass du kommst.« Ich musste verhindern, dass sie auflegte. »Sag einfach, dass du kommst und mich abholst. Er war unser
Freund
, Mom.«
    Sie schwieg. Ich sah sie vor mir, wie sie aufrecht im Bett saß, mein schlafender Vater neben ihr. Wahrscheinlich hatte sie ihr blaues Nachthemd an und durch das Fenster hinter ihr schien das Licht aus Scarletts Küche. »Ach Halley«, meinte sie schließlich resigniert. Als würde ich ihr dauernd solche Probleme bereiten, als würden jeden |18| Tag Freunde von mir sterben. »Also gut, ich werde kommen.«
    »Wirklich?«
    »Was habe ich vor einer Sekunde gesagt?« Ich wusste, was da gerade lief, würde unsere Beziehung noch stärker belasten. Es war ein schwer, ein mühsam erkämpfter Sieg. »Ich möchte mit deiner Betreuerin sprechen.«
    »Klar.« Ich warf einen Blick zu Ruth hinüber, die fast im Stehen einschlief.
    »Mom?«
    »Ja?«
    »Danke.«
    Schweigen. Mir war klar, dass ich hierfür einen hohen Preis zahlen würde. »Schon gut. Lässt du mich jetzt mit ihr sprechen, bitte?«
    Ich reichte Ruth den Telefonhörer und hörte von draußen zu, wie sie meiner Mutter versicherte, ja, alles klar, ich würde fertig gepackt haben und auf sie warten, wenn sie käme, und was für ein Unglück, so ein junger Mensch. Dann ging ich zu meiner Blockhütte zurück, schlich mich im Dunkeln zu dem schmalen Bett, schloss die Augen.
    Aber ich konnte lange Zeit nicht einschlafen. Dauernd sah ich Michael Sherwoods Gesicht vor mir. Es war das Gesicht, zu dem ich in der sechsten, siebten, achten Klasse immer wieder verstohlene Blicke geworfen hatte. Das Gesicht, das Scarlett und ich in jedem Jahrbuch unserer Schule ausführlich betrachtet hatten. Und das Gesicht auf dem Foto, das in Scarletts Zimmer im Spiegelrahmen steckte, einem Foto von Scarlett und Michael am See, das erst vor wenigen Wochen aufgenommen worden war. Hinter ihnen glitzerte das Wasser. Ihr Kopf lag an seiner Schulter, seine Hand auf ihrem Knie. Ich konnte immer noch vor mir sehen, |19| wie er
sie
angeschaut hatte und nicht in die Kamera, als ich auf den Auslöser drückte und der Blitz die beiden vor meinen Augen grell beleuchtete.
    Als meine Mutter am nächsten Nachmittag vor dem Verwaltungsgebäude des Camps anhielt, sah sie nicht gerade glücklich aus. Zu diesem Zeitpunkt stand fest, dass mein Aufenthalt im Emanzencamp das ultimative Desaster gewesen war. Was ich ihr im Übrigen schon prophezeit hatte, als sie mich gegen meinen Willen eine Woche vorher dort abgesetzt hatte. Die letzten zwei Wochen der Sommerferien sollte ich nun irgendwo mitten in der Pampa verbringen, zusammen mit einem Haufen anderer Mäd chen , die genauso wenig wie ich gefragt worden waren, ob sie überhaupt dorthin wollten oder nicht. Meine Mutter hatte bei einem ihrer zahlreichen Therapeutenseminare von diesem speziellen Ferienlager gehört. Integriert war ein Workshop zum Thema
Weibliches Selbstbewusstsein, weibliche Solidarität
; die Bezeichnung »Emanzencamp« stammte von meinem Vater. Eines Morgens lag beim Frühstück eine Broschüre über das Ferienlager, die sie von dem Seminar mitgebracht hatte, unter meinem Teller. Auf der Broschüre klebte ein gelber Zettel mit der Frage:
Was hältst du davon? – Nicht viel, danke schön
, war meine spontane Reaktion, während ich auf das Bild zweier Mädchen etwa in meinem Alter starrte, die Hand in Hand über eine Wiese liefen. Im Prinzip ging es um Folgendes: Einerseits nahm man an einem ganz normalen Ferienlager teil, wo man schwimmen oder reiten ging und edle Kunstwerke aus Makramee herstellte. Andererseits gab es nachmittags Kurse und Selbsterfahrungsgruppen zu Themen à la
Wie die Mutter, so die Tochter   – Die Ähnlichkeiten zwischen meiner Mutter und mir
oder
Muss ich wirklich so sein wie alle anderen?
. |20| In der Broschüre stand ein ganzer Absatz über Selbstwertgefühl, wie man seine eigenen Wertvorstellungen entwickelt und ähnliches Gelaber, das ich von den Klappentexten auf den Büchern meiner Mutter kannte. Ich wusste

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