Sommer des Schweigens: Ich war in der Gewalt dreier Männer. Und ein ganzes Dorf sah zu (German Edition)
ein und mit dem Wasser, das aus dem Wasserhahn kommt.
Sie sind immer da und werden nie müde. Die wollen sie, wollen sie immer noch.
Ich will mich nicht mehr mit ihm verloben
H eute habe ich mich mit Domenico getroffen. Ich will mich nicht mehr mit ihm verloben. Will ihn nie wieder sehen. Wir haben uns am Schultor getroffen. Er hat mich gefragt, ob ich nicht einen Ausflug machen wollte, ein wenig raus vors Dorf. Ich war glücklich. Es wird Frühling. Und in der Sonne ist es angenehm warm.
»Aber nicht länger als eine halbe Stunde, meine Mutter wartet auf mich. Ich muss ihr helfen, Abendessen zu machen«, habe ich ihm gleich gesagt.
»Eine halbe Stunde reicht«, hat er geantwortet, und da habe ich ihm noch geglaubt.
Ich steige in den Wagen.
Ich weiß, dass er mit mir rausfahren will, um mich zu küssen. Verlobte küssen sich. Und ich möchte das auch.
Aber als Domenico wenig später den Wagen anhält, sehe ich, dass wir dort draußen nicht allein sind. Da ist auch sein Freund Domenico Iannello, den ich am Tag der Geburtstagstorte gesehen habe. Und andere junge Männer.
Sobald sie mich sehen, fangen sie an zu grinsen. Ihre Gesichter sind zu schrecklichen Grimassen verzerrt. Sie lachen. Sagen kein Wort. Und lassen die Hosen herunter.
Um mich herum Oliven und Erde. Erde und Oliven. Der Himmel. Sonst nichts. Sie haben ihr Ding herausgeholt. Den Penis. Den Schwanz. Dieses Wort habe ich noch nie ausgesprochen. Ich bekomme einen Schreck und schreie. Weiß nicht, wohin ich schauen soll. Ich starre sie an.
Domenicos Lancia Y10 parkt mitten auf dem Feld unter einem Olivenbaum. Die Männer stehen in einer Reihe vor mir. Ich bleibe ganz nah beim Wagen und rühre mich nicht. Mein Herz rast.
Sie wollen, dass ich bei ihnen irgendwelche Sachen mit dem Mund mache. Zeigen mir das mit ihren Händen. Winken mir, ich soll zu ihnen kommen.
Sie lachen.
Ich steige wieder in den Wagen. Dort sitze ich starr wie eine Statue. Stumm. Ich habe Angst, richtig Angst. Wo bin ich hier gelandet? Wo soll ich nur hin?
»Hilfe«, rufe ich schrill. Wieder und wieder. »Hilfe! Helft mir doch!«
Da werden sie wütend und lachen nicht mehr. Ziehen nur die Hosen hoch. Kommen nicht einmal näher. Die Männer reden miteinander. Ich starre sie weiter an und rühre mich nicht.
Irgendwann steigt Domenico in den Wagen und fährt los. Die Räder bohren sich tief ins Erdreich. Die anderen bleiben unter dem Olivenbaum stehen. Domenico bringt mich zur Kirche zurück. Den ganzen Weg über sagt er kein Wort und schaut vor sich auf die Straße. Genau wie ich.
Ich will Domenico Cucinotta nicht mehr sehen. Er hat gesagt, dass er sich mit mir verloben will. Dass er mit meinem Vater sprechen will. Und was erzählt er meinem Vater über heute Nachmittag?
Ich verstehe die masculi, die Männer nicht. Ich bin verwirrt. Begreife weder, was ich fühle, noch weiß ich genau, was die heute von mir wollten und warum. Machen die älteren Mädchen solche Sachen etwa mit ihren Verlobten?
Als ich die Szene auf dem Feld wieder vor mir sehe, verjage ich den Gedanken sofort. Ich habe Angst, mich daran zu erinnern. Mein Magen zieht sich dann ganz schrecklich zusammen.
Ich würde gern meine Mutter fragen. Aber sie ist so naiv. Mit Mama kann ich über Küchendinge reden und über die Wäsche. Aber über so etwas rede ich nicht mit ihr. Nicht einmal über die Schule. Gar nicht daran zu denken, dass ich ihr sagen könnte, was heute dort draußen passiert ist. Meine Schwester ist zehn Jahre alt. Sie ist zu klein. Wie gern hätte ich jetzt eine ältere Schwester.
Ich habe noch nie zuvor einen nackten Mann gesehen. Es gefällt mir nicht. Ich habe noch nicht einmal jemanden geküsst.
Das Dorf
Heute hat Anna das Haus verlassen. Sie hat es dort drinnen nicht mehr ausgehalten. Sie bekam keine Luft mehr. Heute Nacht hatte sie einen Albtraum. Sie hat geträumt, während sie im Bett lag, hätte es zu regnen begonnen. Das Dach des Hauses war verschwunden, und es regnete hinein. Das Wasser prasselte heftig auf sie herab. Und sie begann es zu schlucken. Sie konnte nicht mehr atmen. Es regnete. Dann war sie am Strand. Die Wellen brachen über sie herein. Und sie konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten.
Wasser.
Ein Atemzug.
Wasser.
Es war schrecklich.
Heute hat sie das Haus verlassen. Aber sobald sie um die Ecke bog, hat eine von denen von einem Balkon im ersten Stock eine brennende Zigarette nach ihr geworfen und sie genau im Gesicht getroffen.
»Wir werden dich verbrennen.
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