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Sommer in Lesmona

Sommer in Lesmona

Titel: Sommer in Lesmona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalene Marga; Pauli Berck
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eine
Bluse.
    Nächste Adresse: Wiesbaden, Nassauer
Hof.
    In Liebe
    Deine Matti
     
     
    Wiesbaden, Nassauer Hof
    3. Mai 94, Papas Geburtstag
    Liebe einzige Bertha!
    Von Wiesbaden bin ich sehr enttäuscht.
Es ist doch nur eine richtige Stadt, und wenn man ins Freie will, muß man erst
auf den Neroberg fahren. Die Stadt und die Läden sind sehr elegant. Gärtners
sind ganz bezaubernd mit mir. Lina von Gärtner hat auch viel mit mir besorgt,
da sie ja die Läden besser kennt als wir. Mama will mich, glaube ich, zur
Verlobung von Georg und Elly herausstaffieren, damit ich neben Elly und Ally
nicht abfallen soll.
    Ich bekam ein ganz bezauberndes weißes
Crepe-Kleid, was nur vom im Gürtel eine türkisblaue Schnalle hat. Zwei süße
Waschkleider, ein weißes Cape, über die Sommerkleider zu tragen, ein hellblaues
leichtes Crepe-Kleid für den Sommer, am Sonntag und so. Dann einen dunkelblauen
Faltenrock und dazu zwei weiße Blusen, eine kleine blaue Weste ohne Ärmel, die
dazu gehört. Es sind nur ganz kleine Änderungen, die hier gemacht werden, dann
brauche ich in Bremen überhaupt nicht zu Röben.
    Gottseidank sehe ich Dich also noch
gerade in Bremen. Das war die Hauptfreude dieses Tages, die mir Dein heutiger
lieber Brief brachte.
    In inniger Liebe
    Deine Matti
     
     
    Bremen, den 8. Mai 94
    Dienstag
    Liebste einzige Bertha!
    Es war schön, daß ich Dich noch sah und
wir uns alles mündlich erzählen konnte, das «Himmlische und das Irdische». Am
schönsten, daß ich Dich und John noch einen ganzen stillen Nachmittag bei mir
oben haben durfte! Ich habe ihn auch schon lieb und werde ihn immer weiter lieben
in dem Maß, wie er dich glücklich macht. Deine Kleider aus Hannover und Bremen
fand ich ganz entzückend. Du hast noch nie so hübsch ausgesehen. — Das macht
wohl die Liebe, die zu mir nicht kommen will. —
    Nun muß ich Dir aber noch viel
erzählen. Also ich lief gestern noch zu Rena und fragte, weshalb Dr. Retberg
eigentlich nicht nach Florenz gekommen wäre. Sie sagte ganz gleichgültig: «Ich
glaube, er war erkältet.» Das war wirklich die reinste Ohrfeige. Natürlich ließ
ich mir nichts merken, aber ich war wütend. Er hätte mir dann doch schreiben
müssen. Also es ist aus. Anna Quentell sagt auch, den sollte ich mir nun aber wirklich
aus dem Kopf schlagen. Noch kochend vor Wut treffe ich vor Hillmann Carl
Brauer. Er fragt: «Wie geht es dir denn, wie war es denn in Italien?» Ich sage:
«Es war sehr schön, aber ich habe eben einen ganz entsetzlichen Ärger gehabt,
was kann man dagegen tun?» «Oh, da habe ich ein gutes Rezept, da mußt du dich
körperlich austoben, ordentlich Gegenstände an die Wand schmeißen und aus dem
Fenster raus. Und dann muß es feste krachen, das nennt man ‹sich abregen›, das
versuche mal.» Er ist immer so rasend komisch.
    Also abends, als ich zu Bett gehe, sagt
Linsche, sie hätte meinen Nachttopf kaputt gemacht. Ich rufe begeistert: «Wo
ist er?» Sie, ganz erstaunt: «Da, hinter dem Schrank.» Ich stürze hin und finde
den Pott mit einem großen Riß quer durch. Jetzt wollte ich mich aber abregen!
Ich reiße das Fenster auf, gucke erst nach beiden Seiten, und als niemand kam,
schmeiße ich den Pott herunter. Krach, krach, — da lag er in tausend Stücken
auf der Contrescarpe. Nie werde ich Linsches Gesicht vergessen! Völlig außer
sich und kreideweiß starrte sie mich an und sagte bebend vor Wut: «Du bist ein
ganzer Teufel, ein Rebell, bist du denn verrückt geworden? Jetzt kommt die
Polizei und verhaftet dich. Es ist streng verboten, Gegenstände aus dem Fenster
zu werfen.» Ich sagte und wollte sie umarmen: «Linsche, ich war so wütend, daß
Dr. Retberg nicht nach Florenz gekommen ist, da wollte ich mir Luft machen.»
Linsche antwortete: «Laß mich los, du kannst gleich der Polizei erzählen, Dr.
Retberg hätte dich sitzenlassen und deshalb hättest du deinen Nachttopf aus dem
Fenster geworfen. Es ist gar nicht zu glauben, mit achtzehn Jahren eine solche
Untat.»
    Die Eltern waren an dem Abend
eingeladen. Ich lauschte noch ziemlich lange, als ich schon im Bett lag, ob
wohl unten auf der Contrescarpe noch eine Komplikation kommen würde. Da ich
immer mit offenem Fenster schlafe, hörte ich am anderen Morgen um ½ 7, wie
Männer draußen redeten. Ich schlich hinter die Gardine und sah zwei
Wallarbeiter mit einem kleinen Wagen, die vor den Scherben standen. Es piekte
mich furchtbar, mich an der Unterhaltung zu beteiligen. Ich rief hinunter:
«Guten Morgen, was ist

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