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Sommer in Lesmona

Sommer in Lesmona

Titel: Sommer in Lesmona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalene Marga; Pauli Berck
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Vetters Plessis und soll sich hier nach einer
schweren Influenza erholen. Er ist mit Dir genau so verwandt wie mit mir:
second cousin. Gottseidank spricht er fließend Deutsch, mit englischem Akzent.
Er sieht ganz fabelhaft gut aus, mindestens einen halben Kopf größer als ich,
glänzende schlanke Figur, dunkelblonde Haare, enorm sprechende blaue Augen wie
sein Bruder Ferdi und schneeweiße Zähne. Sehr gern habe ich seine
braungebrannten Hände mit von der Natur so wohlgeformten Nägeln. — Aber er ist
ja nur zwei Jahre älter als ich. Er hat eine entzückende Tenorstimme und singt
morgens die englischen Songs oder die von mir geliebten italienischen Lieder
und abends oft für Onkel Herbert Schubert- oder Schumann-Lieder. Zu den Songs
kann ich ihn begleiten. — In London hat er jede Woche einen Abend
Gesangstunden. Da ist also der dernier cri von London: «Daisy, Daisy». Ich will
Dir die Verse mal aufschreiben, die er von früh bis spät singt:
     
    There is a flower into my heart
    Daisy, Daisy —
    Planted some day by a glancing dart
    Planted by Daisy Bell.
    Whether she loves or she loves me not
    Sometimes ‘tis hard to tell,
    But I’m no longer to share the lot
    Of beautiful Daisy Bell.
    Daisy — Daisy — give me your answer,
do,
    I’m half crazy all for the love of you.
    We can’t have a stylish marriage
    For I can’t afford a carriage,
    But you look sweet
    Upon the seat
    Of a bicycle built for two.
     
    Er sagt, dies Lied klänge jetzt aus
allen Fenstern, oben von den Bussen, auf den Straßen und in den Restaurants,
ganz London sänge jetzt «Daisy». Er ist enorm freimütig und sicher, sagt alles,
was er denkt, und Onkel Herbert liebt ihn sehr.
    Am zweiten Tag, als er abends «Daisy»
gesungen und ich ihn begleitet hatte, als alle dabei waren, sagt er plötzlich
zu mir: «Gott, mir fällt eben ein, daß du der Typ von Daisy bist, den
ich mir von ihr vorgestellt hatte, wahrhaftig genau so. Ich nenne dich jetzt
nur noch ‹Daisy›.» — Alle lachten, und von dem Moment an nennt er mich nie anders als «Daisy».
    Ich schlafe oben in meinem alten Zimmer
vis-à-vis von Onkel Herbert. Max und Heini F. sind auch oben, und Percy ist
unten. Seine Eltern sind seit einigen Jahren beide tot. Onkel Herbert erzählte
mir, daß sein Schwager O. das Erbteil der Brüder nicht aus der Firma «Roesner
Brothers» herausgibt, es sei eine unerhörte Sache, aber die Brüder wären zu
fair, um zu prozessieren. Percys Vater war sehr reich, die Mutter — Tante
Cornelia — eine bezaubernde Frau. Seit dem Tode der Eltern ist Percy bei Onkel
Christian und Tante Ellen in London wie Kind im Hause.
    Nun laß es Dir weiter gutgehen und
denke, daß ich glücklich bin.
    Deine Matti
     
     
    Lesmona, den 25. Mai
    Liebe liebste Bertha!,
    Acht Tage bin ich nun schon hier, und
es ist wunderbar. Onkel Herbert kommt an drei Wochentagen mittags zu Tisch
heraus, dann holen Percy und ich ihn im Wagen in Burg-Lesum ab. Nachmittags
reitet er dann um 5 mit uns aus. Percy reitet Max’ Pferd, Onkel Herbert hat
sein eigenes, und ich habe hier den «Pfeil» von Freese, den Du kennst. Er sieht
ja süß aus, ist aber bodenscheu und macht bei jedem Stück Papier einen großen
Satz. Wenn Onkel Herbert erst nachmittags um 6 herauskommt, reite ich morgens
allein mit Percy.
    Die anderen Vormittage rudern wir, er
rudert meist hinüber ans andere Ufer. Da ist eine süße Schilfbucht. Wir sind
ganz selig zusammen, lesen auch gar nicht mehr in den Büchern, die wir zuerst
mitnahmen, sondern haben uns ganz entsetzlich viel zu sagen. Es nimmt nie ein
Ende. Er spricht oft englisch, und ich antworte deutsch. Im Boot ziehe ich
immer meine Schuhe aus, wie ich es von jeher tat. Es ist so befreiend ohne Hut
und ohne Schuhe. Dann lege ich mich gemütlich in meine Kissen und sehe in den
Himmel oder in Percys Augen, was dasselbe ist. Gestern hatte ich meinen Fuß an
einem Bootsnagel so gerissen, daß er stark blutete. Es ging sofort durch den
Strumpf durch. Ich mußte den Strumpf ausziehen, und Percy nahm den Fuß in seine
Hände. Er band sein Taschentuch drum zum Abbinden des Blutes. Nachher hat er
den ganz gehörigen Riß ausgewaschen und aus seinem Portefeuille «new skin»
draufgeklebt, das ist ein wunderbares englisches Heilmittel, und man braucht
dann keinen Verband mehr. Als das fertig war, hat er den Fuß sehr zärtlich
geküßt, und ich dankte Gott, daß ich so niedliche Füße habe.
    Er ist nach diesen ersten acht Tagen
etwas anders als im Anfang!! Wie soll

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