Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommer in Lesmona

Sommer in Lesmona

Titel: Sommer in Lesmona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalene Marga; Pauli Berck
Vom Netzwerk:
ich möchte, daß du mich verstehst — Bertha könnte es dir
besser erklären, als ich es kann. Es war eine dunkle Macht, und ich weiß, daß
ich todunglücklich werde. Seine Briefe lese ich oft tagelang nicht. Ich schreie
nach Liebe und bekomme nur eine kühle Zuneigung. So ist es. Aber ich muß das
nun zu Ende tragen, denn ich kann nicht mehr zurück. Ich wüßte nicht, was Papa
mit mir anfangen würde. Percy, glaube es mir, ich würde es gern tragen, wenn
ich wüßte, daß du dafür Glück haben könntest.» Da fing ich an zu
schluchzen. Er stand auf und sah aus dem Fenster, und er sagte: «Dies ist der
Blick auf die Mühle und auf den Stadtgraben und auf die Türme, und dies ist
dein Zimmer, was ich noch nicht kenne, aber nun kenne ich es und kann dich hier
mit meinen Gedanken suchen. Aber ich kann es nicht mit ansehen, daß du in dein
Unglück rennst.» Er fragte, ob Du hier wärst — er wollte Dich besuchen.
Als ich sagte, Du wärest in Hannover, war er ganz geknickt und sagte: «Das ist
schlimm für mich, ich hätte Bertha so gern gesprochen.» Und nun wollte
er Linsche Guten Tag sagen und mein Schlafzimmer sehen. Ich ging mit ihm durch
mein Schlafzimmer zu Linsche. Sie saß am Tisch und nähte. Er gab ihr die Hand
und sagte: «Es ist ein Glück, daß Sie bei Daisy sind, können Sie ihr denn nicht
helfen, daß sie aus ihrem Unglück herauskommt?» Linsche: «Herr Boesner, das ist
doch alles Schicksal oder Gottes Wille — sie ist doch richtig blind da
hineingerannt.» Ich ging ins Wohnzimmer zurück und setzte mich ans Fenster,
während er noch mit ihr redete. Dann kam er zu mir und sagte wieder mit der
alten, von Zärtlichkeit verschleierten Stimme: «Komm, Daisy, weine nicht so,
ich kann es nicht mit ansehen» — und wie früher zog er mich an meinen beiden
Händen hinauf zu sich. Er legte meinen Kopf an seine Brust und streichelte ihn
und sagte immer «Arme Daisy». Wieder fühlte ich dieses grenzenlose Vertrauen zu
ihm, dieses Geborgensein, das Gegenteil von allem, was ich bei Rudi fühle, und
dann kam der Gedanke an die fünf Jahre Wartezeit und an den furchtbaren Krach
hier, wenn ich Rudi laufen ließe, und ich dachte, ich könnte es nicht. Dann hat er mich wie früher geküßt, und seine Tränen sind in meine gelaufen.
    Als die Ansgari-Kirchen-Uhr 4 schlug,
sagte ich: «Nun hast du noch eine Viertelstunde — um ½ 5 stehen die Eltern auf,
und ich muß vorher weg sein, damit sie meine roten Augen nicht sehen.» Ja — er
war bis ¼ nach 4 bei mir und ist dann rasch weggegangen. Ich warf mich aufs
Sofa und weinte, wie ich noch nie geweint habe. Linsche kam sofort herein,
klopfte mich leise auf den Kopf und sagte: «Meine gute, liebe Deern, weine dich
erst mal aus, vielleicht tut dir das gut.» Sie fragte: «Wann reist er denn
wieder ab?», und ich sagte: «Morgen früh.» «Na, Gottseidank», meinte sie, «aber
du mußt dir jetzt die Augen waschen und lieber weggehen, damit die Eltern dich
nicht mehr sehen.»
    Bertha, denke Dir, er war heute morgen
nach St. Magnus herausgefahren und ist dann allein in Lesmona herumgelaufen. An
Onkel Herbert hat er gesagt, er hätte geschäftlich zu tun gehabt, und Onkel H.
hat es geglaubt. Dann wusch ich mir die Augen aus und sagte Linsche Bescheid,
daß ich jetzt Deine Besorgungen machen wollte, was ich ja sowieso hätte tun
müssen. So lief ich weg mit meinem zerbrochenen Herzen. Es war ein Glück, daß
ich etwas für Dich tun konnte!
    Zuerst zu Wenglein — der hat Deine
Rechnung nun in Ordnung gebracht. Dann zu Rüben: Fräulein Körte sagte, das
Abendkleid wäre vorgestern per Eilboten an Dich abgegangen. Dann Bremer: Ich
gab die Probe ab, und sie wollten es sofort bestellen. Bei Rabe das Service
umbestellt und schließlich bei Uhlenhoff von den großen Tischtüchern drei
abbestellt.
    Zu Haus trank Mama Tee mit Frau Tewes.
Ich saß kurz dabei und ging dann hier herauf, und als ich eben wieder in mein
Zimmer kam, stand ich hier und sah herum und dachte, ob denn nicht ein Hauch
oder ein Schimmer oder der gute englische Geruch von seinem Taschentuch hier
noch irgendwo haftete — hier hatten wir gestanden, am Bücherschrank — auf
dieser Stelle — und es war nichts geblieben. Wie ist das alles nur
möglich! Nun ist die alte Liebe wieder erwacht — ach, wenn Du doch hier gewesen
wärest!!! Linsche will mir heute abend heißes Zuckerwasser geben und an meinem
Bett Sitzenbleiben, bis ich schlafe.
    Nun lebe wohl und komme doch bald
    zu Deiner

Weitere Kostenlose Bücher