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Sommer in Lesmona

Sommer in Lesmona

Titel: Sommer in Lesmona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalene Marga; Pauli Berck
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sind,
daß alles wie am Schnürchen läuft. Heute morgen war ich mit Tante Ellen, Greta
und Edith in der National Gallery und strich wieder die berühmten Bilder an.
Ach — wie hängen mir alle diese Bilder aus dem Halse! Viel schöner fand ich es,
nachmittags oben mit den Kindern auf dem Bus durch die Stadt zu fahren, die
London Bridge zu sehen und alles bunte Leben! Das ist ja ganz überwältigend!
Ich schreibe morgen weiter.
    Onkel Christian ist der Vorsitzende des
Deutschen Clubs, weshalb er hier eine besondere Stellung in der deutschen
Colonie einnimmt. Jeden Abend ziehen Tante Ellen, Greta, Edith und ich decolletierte
Kleider an, und Onkel Christian ist im Frack. Die Umzieherei ist sehr lästig,
aber man gewöhnt sich daran. Ich habe nur das weiße Abendkleid von Deiner
Hochzeit mit, das ich noch schonen will, und das alte Hellblaue, das Percy an
dem Abend bei Hillmann — nach dem Rennen — so sehr liebte! Wir kauften hier nun
zum Wechseln noch ein ganz bezauberndes pistaziengrünes Abendkleid, das über
den Schultern Sammetbänder in vieux rose hat. Ich trage es nun sehr viel.
    In Liebe küßt Dich
    Deine Matti
     
     
    London, Dienstag, den 26. März 95
    Liebe einzige Bertha!
    Tausend Dank für zwei liebe Briefe von
der Hochzeitsreise, und wie dankbar bin ich, daß Ihr so glücklich seid. Ihr
braucht Euch wegen Percy nicht zu sorgen. Dies entsetzliche «Schneiden» wird
bis zum Schluß so weitergehen. Was soll er denn auch anderes tun? Er ist doch
zu Tode gekränkt, und ich muß es tragen, aber mein Herz blutet!
    Das Leben ist hier so bunt, daß ich
kaum zum Nachdenken komme. Gestern waren wir auf einem großen Dinner beim
deutschen Generalkonsul — seine Frau ist tot. Es war eine sehr elegante
Gesellschaft, meistens Deutsche: Heute wollen wir ins Theater. Onkel Christian
ist der liebste und beste Mann der Welt, aber rasend komisch mit seinen
verschiedenen Ideen, z. B. sammelt er Uhren, die Erinnerungen haben. In meinem
Zimmer stehen vier. Als sie alle tickten und schlugen, habe ich drei
abgestellt, und am anderen Morgen, als ich es ihm beichtete, war er einfach
außer sich und sagte, etwas Schlimmeres hätte ich ihm nicht antun können. Seine
Großmutter ist beim Ticken der einen Uhr gestorben und der Großvater bei der anderen.
Während dieser Auseinandersetzung lachten die Kinder sich halb tot. — Dann
weint er bei jeder Gelegenheit, was die anderen auch sofort zum Lachen reizt.
Nachts um 1 geht er durchs ganze Haus und sucht die Diebe. Er stößt mit dem Fuß
an alle Schränke, die auf dem Vorplatz stehen. Er tut dies auf Grund einer
bösen Erfahrung. Tante Ellen ist außer sich darüber, weil oft die Kleider
herunterfallen. Sonntag nach dem Frühstück kommen der Reihe nach alle Kinder
auf seinen Schoß und erzählen von dem, was sie gerade erlebten. Sein Liebling
ist Mary, sie ist 9 Jahre und sieht bezaubernd aus, dabei sehr helle. Sie hatte
also ihrem Bruder Dick ein Stück Schoko weggenommen, worüber große Aufregung
herrschte. Er fragte nun das Kind: «Why did you do that? — I want to know it.»
Da sagte sie mit verblüffender Offenheit: «Because I want to have it myself.»
    Sie nennen mich hier alle «Margalein»,
weil Onkel Christian das von jeher gesagt hat. Georgie und Dick sind sonst im
College, nur jetzt auf Ferien hier zu Ostern. Greta ist sonst auch in Pension,
wird aber jetzt hier konfirmiert und hat lange Ferien. Zu mir sind alle ganz
rührend. Morgen soll ich den Tower besehen, und jeder Tag bringt neue
Eindrücke.
    Dir und John tausend Grüße!
    In großer Liebe
    Deine Matti
     
     
    London, den 29. März 95
    Liebe einzige Bertha!
    Es ist jetzt abends 9 Uhr — ich bin
früh hinaufgegangen und muß mich durch diesen Brief und die Aussprache mit Dir
beruhigen. Ich schrieb Dir doch schon, daß Percy mich hier sozusagen kühl
schneidet, was ich ja auch verstehe. Aber eben war ich doch ganz gebrochen.
Denke Dir, er kam heute, Freitagabend, zum Dinner, ohne daß ich es wußte. Er
hatte Onkel Christian in der City getroffen und gefragt, ob es heute paßte. Ich
ahnte nichts und saß allein unten vorm Essen im drawingroom unter der Lampe
lesend und wartete auf die anderen. Plötzlich geht die Tür auf, und Percy kommt
herein, sieht mich und sagt eisig «Good evening» — nimmt die «Times», setzt
sich an den Kamin und liest — ohne mich überhaupt zu beachten. Ich kriegte
starkes Herzklopfen, dann stand ich auf, ging hinaus und wartete draußen auf
die anderen. Beim Essen saß er mir

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