Sommer in Lesmona
dunkle
Bedeutung, und ich möchte es dir nicht abschreiben.» Nun jetzt — wo alles
vorbei ist, hat er es getan.
Es küßt Dich
Deine Matti
Hoffentlich kannst Du die Schrift
lesen, ich zittere immer noch.
Hier fehlen einige Briefe
Bremen, den 28. Februar 96
Meine liebe Einzige!
Durch meine Krankheit kam ich mehrere
Tage nicht zum Schreiben, aber ich will Dir jetzt gewiß nichts vorklagen. Wir wollen dankbar sein, daß der kleine Engel Wolfgang nun in der
Wiege liegt. John schreibt mir aber, ich sollte jetzt noch nicht kommen, und Du
hättest seit gestern etwas Fieber — es hinge aber sicher nur mit der Milch
zusammen, und ich sollte Dir jeden Tag schreiben. Ja, Du willst wissen, was ich
an Percy schrieb. Nachts von 1-3 habe ich ihm geschrieben, 12 lange Seiten, und
schrieb mir alles von der Seele. Als ich den Brief am andern Morgen eingesteckt
hatte, kam das Würgen, und ich mußte ins Bett.
Nun werde Du aber rasch
besser!!!
In inniger Liebe küßt Dich und Wolfgang
Deine Matti
Mittwoch
Meine liebe Einzige!
Morgens laufe ich jetzt immer zu Deinem
Vater und frage nach Nachrichten von Dir. Es ist ja noch nicht ganz so gut,
aber habe nur Geduld— — —
Jetzt sind im Saal meine
Hochzeitsgeschenke. auf dem langen Tisch aufgebaut, so wie letztes Jahr auch
bei Dir. Ich fragte mich heute, ob es eine Sünde sei, wenn man sich gar nicht
darüber freut. Es ist doch undankbar. Aber in der Bibel steht, man soll nicht
Schätze sammeln, die die Motten und der Bost fressen. So dachte ich am Fenster
im Saal darüber nach! Da kam auf der Georgstraße ein Junge, der pfiff die
Melodie von «Daisy» — dies Lied ist ja auch jetzt in Bremen Mode geworden — ich
sagte die Worte mit, die ich auswendig kann: «it won’t be a stylish marriage,
for I can’t afford a carriage.» Ja, Percy wäre mit mir nur zum Standesamt
gegangen, wir hätten keine Geschenke bekommen — aber wären wir darum ärmer
gewesen???
Aber nun ist ja alles einerlei, und
alles geht den Weg des Schicksals. Nun werde Du erst wieder besser, das
ist mein Gedanke in jeder Stunde.
Ich küsse Euch alle!
Deine Matti
Brief von Bertha Deneken
an Marga Berck
mit Bleistift
Datiert: Freitag
Hannover
Meine liebe liebe Matti!
Wie gern würde ich Dir nun unseren süßen Wolfgang zeigen! Er
hat so große dunkle Augen und schreit sehr selten. Seine Wiege steht meistens
neben meinem Bett, nur nachts wird er weggestellt. Mama ist so rührend!
Liebe, süße Matti, hoffentlich kannst
Du dies Bleistiftgeschreibsel lesen, das ich in vielen Absätzen fertigbringe.
Die Ärzte wollen nicht, daß Du kommst, und John sagt auch jetzt, es würde mich
aufregen, weil ich mich ja immer noch so sehr um Dich sorge. Aber John und ich
glauben fest, daß Du Rudis Herz ganz und gar erobern wirst, wenn er Dich nur
mal erst richtig kennenlernt, wenn er sieht, wie Du bist, und wenn Ihr
erst mal miteinander allein seid! Die direkten und indirekten Nachrichten von
Percy ließen Dich ja auch nie zur Ruhe kommen!! Rede Dir nur nicht immer ein,
daß Du Schuld, an irgend etwas hättest. Das Merkwürdige bei Deiner
Geschichte ist ja, daß niemand Schuld hat! Deine Eltern wissen von
nichts, und Du mußt doch denken, daß die Sache mit Rudi schon spielte, ehe Du Percy kennenlerntest. Du hattest doch Rudi damals sehr im Kopf!! Dann schien
es mit ihm zu Ende, und in dieser Zeit fiel Dir Percys Liebe in den Schoß, die
Dich mitriß. Nachher hörtest Du nichts mehr von ihm und dachtest, es sei aus
mit Percy. In die Zeit fiel die Nachtmusik von Georg und Elli in der
Vahr — Du sähest Rudi wieder und verfielst seiner Macht. Diese Macht ist ja
auch Liebe, das weißt Du doch auch. Dann ging alles erst mal ganz gut, denn
Du kämpftest doch bei Deinen Eltern um Rudi, vergiß das nicht. Seine
Kühle beschäftigte Dich wohl sehr, aber Du hattest doch den Willen, ihn zu
erobern. Da erscheint mitten in dieser Spannung plötzlich im Januar 95 Percy
aus London, und in dem Moment begann erst Deine Tragödie. Nachher konntest Du
nicht mehr heraus. Du konntest nicht Eisen brechen und keine Katastrophen auf
Dich nehmen. Dem warst Du nicht gewachsen, meine arme Matti. All die
Liebesgeschichten vorher waren ja nur von seiten der Männer: Eugène,
Martin, Hans W. und Graf P. Du liebtest keinen von ihnen. Daß es
Eindruck auf Dich machte, wenn all diese ernsten, wertvollen Männer Dich
umwarben, war doch klar, und daß Du oft gezögert hast, war nicht
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