Sommer in Venedig
ihre Hilfe benötigte. Hier hatten zwei Liebende Spaß miteinander -
und Rebecca hatte durchs Schlüsselloch zugesehen. Über sich selbst erschrocken,
fuhr sie zurück. Peinlich berührt blickte sie sich um. Im Gang war niemand.
Schnell hastete sie weiter. Als sie endlich vor ihrer Tür angekommen war,
atmete sie erleichtert auf. Gerade wollte sie die Tür hinter sich schließen,
als ihr Blick auf die Fenster der anderen Seite des Innenhofes fiel: Im
Obergeschoss brannte noch Licht. Ein Mann hatte seinen Kopf in die Hände gestützt
und sah grinsend direkt zu ihr hinunter.
Rebecca stockte der Atem. Hatte er sie etwa die
ganze Zeit beobachtet? Hatte er dabei zugesehen, wie sie durch das Schlüsselloch
von Matteos Zimmer schaute? Sie würde Gregorio Savera nie wieder in die
zugegebenermaßen schönen Augen sehen können, soviel war klar. Was für ein
Missverständnis! Und das alles, noch bevor ihre eigentliche Arbeit begonnen
hatte.
Rebecca putzte die Zähne und versuchte, noch ein
paar Seiten zu lesen, doch sie konnte sich nicht konzentrieren. Also stellte
sie die Weckfunktion ihres Smartphones ein und löschte das Licht. Doch der
Schlaf wollte nicht kommen. Möglicherweise hatte sie am Nachmittag zu lange
geschlafen. Oder es lag an dem schwarzhaarigen Mann mit den smaragdgrünen
Augen, der immer wieder durch ihre Gedanken huschte? Es war weit nach
Mitternacht, als der Schlaf sie endlich von ihm erlöste.
Kapitel 6
Rebecca war vollkommen verschwitzt und fühlte
sich gerädert, als der Wecker sie aus dem Schlaf riss. 5.50 Uhr zeigte das
Display an. Noch zehn Minuten, um wach zu werden. Aber was nützten die, wenn
man sich fühlte, als hätte man gar nicht geschlafen. Also quälte sie sich aus
dem Bett, nahm frische Wäsche aus dem Koffer, den sie am Vortag versäumt hatte
auszuräumen, und duschte kalt. Sie entwirrte ihre blonden Locken und streifte
die weiße Dienstbluse über. Die spannte ein wenig über der Brust, ansonsten
passte sie. Rebecca hatte gerade das Fenster weit geöffnet und genoss die kühle
Morgenluft, als es klopfte. Überrascht sah sie zur Uhr. Nein, zu spät dran war
sie nicht. Neugierig ging sie zur Tür und öffnete sie einen Spalt. Ihre Knie
begannen zu zittern. Vor ihr stand Signor Gregorio.
»Buongiorno, Signorina!«
Er lachte sie mit strahlend weißen Zähnen an. In
der einen Hand hielt er einen Cappuccino, in der anderen eine Brioche. »Soweit
ich gehört habe, wird in Deutschland großen Wert auf ein Frühstück gelegt«,
sagte er. Als sie nicht reagierte, fragte er: »Willst du mich nicht
hereinbitten?«
»Si, certo! Natürlich!«, stammelte sie und öffnete
die Tür. »Ich bin nur überrascht, Sie ... äh ... dich hier zu sehen.«
»Warum? Weil ich den Zimmerservice einmal selbst übernehme?
Ich bin in diesem Hotel aufgewachsen. Ich kenne jeden Handgriff, der hier getätigt
wird.«
Er reichte ihr den Becher und stellte den Teller
mit der Brioche auf dem Tisch ab. Der Cappuccino duftete herrlich. Genau das
Richtige, nach einer durchwachten Nacht.
Gregorio starrte auf ihre Beine. Der Rock lag
noch auf dem Bett. Erst jetzt wurde sich Rebecca ihrer Blöße bewusst. Schnell
setzte sie sich an den kleinen Tisch.
»Capisco, ich verstehe! Sie besuchen jeden Morgen
ein anderes der Zimmermädchen, noch bevor dieses mit dem Ankleiden fertig sein
kann«, kombinierte sie gereizt und biss in die Brioche. Sie schmeckte köstlich:
warm und süß und ofenfrisch. Genießerisch schloss sie die Augen.
»Die sind fantastisch!«, gab sie zu. Gregorio
lachte. »Selbstverständlich sind sie das! Du befindest dich in einem der
exklusivsten Hotels Venedigs. Hast du gedacht, wir servieren Brot vom Vortag?«
Sie nahm einen Schluck aus dem Becher und war
sicher, noch nie einen wohlschmeckenderen Kaffee genossen zu haben. Sie hätte
sich im Paradies wähnen können, mit all den Köstlichkeiten, Gregorio mit
eingeschlossen. Doch dann fiel ihr die gestrige Begegnung wieder ein: Gregorios
Hand in Emilias Bluse.
Rebecca straffte die Schultern. »Also, wenn ich
den Worten deines Vaters Glauben schenken darf, dann gehört es nicht zu deinen
Hauptbetätigungsfeldern, die Gäste zu bedienen.« Sie sah, wie sich seine Stirn
in Falten legte, und freute sich. »Und ich gebe zu, auch für mich sah es so
aus, als würde dein Interesse mehr darin liegen, dich vom weiblichen Personal
beglücken zu lassen.«
Er schnaubte verächtlich.
»Ach ja, mein Vater. Ich konnte ja nicht ahnen,
dass
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