Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens
ich komme nicht in den Himmel. Die gute ist, ich bin bereits da.“
„Dem Navi nach ist das Camp nur noch zehn Meilen von hier entfernt, also werde ich dafür sorgen, dass Sie stetigen Nachschub an Kolaches bekommen“, sagte Claire.
„Ehrlich, sie ist einfach unglaublich gut. Sind Sie sicher, dass ich Sie nicht dazu verführen kann?“
„Ja, ich bin sicher. Und es ist schön zu wissen, dass im Himmel Kolaches jeden Tag auf der Karte stehen. Tun Sie mir einen Gefallen und nehmen Sie einen Bissen für mich.“ Während sie an ihrem Tee nippte, schaute sie sich unauffällig die anderen Gäste im Café an. Eine weitere paranoide Angewohnheit von ihr war es, zu sehen, ob sie irgendwelche Aufmerksamkeit erregte. Und natürlich sah sie sich auch hier wieder nach einem möglichen Fluchtweg um. Die Schwingtür hinter dem Tresen und der Haupteingang zur Straße waren die beiden Möglichkeiten. Da sie aber keinerlei Anzeichen für bevorstehenden Ärger entdecken konnte, betrachtete sie den Kunstdruck an der Wand. „Das ist ein tolles Bild vom Willow Lake!“
„Ganz Ihrer Meinung“, stimmte George zu.
Das Bild fing die friedliche Stimmung auf und das besondere Licht, das den von Wäldern umgebenen See durchdrang. Ihr Blick fiel auf die Signatur in der unteren Ecke. Der Druck war sogar nummeriert. „Daisy Bellamy“, las sie. „Sind Sie mit ihr verwandt, George?“
„Vielleicht.“ Ein kleines Lächeln umspielte seine Mundwinkel, und sie merkte, wie er sich bemühte, das Thema zu wechseln. „Das ist wirklich ein einzigartiges Gefühl“, sagte er zwischen zwei Bissen Gebäck und einem Schluck Cappuccino. „Nachdem ich jahrzehntelang auf mein Cholesterin geachtete habe, sterbe ich nun doch nicht an Herzversagen.“ Erprobierte den Ahornriegel. „Ich wünschte, ich hätte das eher gewusst.“
Sie beschloss, ihn nicht auf die mangelnde Logik seiner Aussage aufmerksam zu machen. Ein Grund, warum er sich so lange so guter Gesundheit hatte erfreuen können, war vermutlich, weil er auf seine Ernährung geachtet hatte.
„Ich könnte sogar mit dem Rauchen anfangen.“ Er tupfte sich den Mund mit einer Serviette ab. „Zigarren und Zigaretten bringen mich nicht um. Ich könnte mich ihnen ohne schlechtes Gewissen hingeben.“
„Was immer Sie glücklich macht.“
„Ich arbeitete daran.“
„Woran?“
„Mich glücklich zu machen. Mein ganzes Leben habe ich mir gesagt, dass ich eines Tages glücklich sein werde.“
„Und jetzt ist der Tag gekommen.“
„Es ist schwer“, gestand er leise.
„Glücklich zu sein? Wem sagen Sie das.“ Sie nahm ihn am Arm und ging zur Tür, bevor er nachfragen konnte. „Kommen Sie, George! Kaufen wir Ihnen ein paar Zigarren.“
Sie verließen die Stadt und wandten sich nordwärts in Richtung Uferstraße. Kurz vor Einbruch der Dämmerung tauchten die letzten Sonnenstrahlen die Landschaft in tiefes Bernstein, Orange und flammendes Pink. Claire verschlug es bei diesem prachtvollen Anblick die Sprache. Sie war es nicht gewohnt, von so viel zügelloser Schönheit umgeben zu sein, und es berührte sie zutiefst und weckte Gefühle in ihr, mit denen sie nicht gerechnet hatte.
Hier bin ich, dachte sie. Hier bin ich.
„Dieser Wald ist so üppig gewachsen“, merkte George an. „In dieser Gegend war ziemlich viel gefällt worden. Es ist gut, dass wieder aufgeforstet wurde. So soll es sein.“
Sie fühlte die Aufregung in ihm aufsteigen, je näher sie Camp Kioga kamen. Es war ihr finales Ziel – das Camp, in dem erdie Sommer seiner Kindheit und Jugend verbracht hatte. Begeistert zeigte er auf verschiedene Orientierungspunkte – Berge und Felsformationen und Aussichtspunkte; einen Wasserfall, über den sich hoch oben eine Brücke spannte.
Das letzte Stück Weg führte sie tiefer hinein in den Wald. Das Laub war so dicht, dass Claire das erste Mal ein Gefühl von Sicherheit bekam, so falsch es auch sein mochte. Dann tauchte das Resort vor ihnen auf mit seiner Lodge und den Cottages, die sich in die herrliche Wildnis am nördlichen Ende des Sees kuschelten.
Laut der Broschüre, die sie kurz überflogen hatte, war das Resort kürzlich renoviert worden und wurde von einem jungen Ehepaar geleitet – Olivia und Connor Davis. Doch das Camp hatte seinen historischen Charakter beibehalten, der sich in seinen Holz- und Steingebäuden zeigte, in den handgemalten Hinweisschildern, den wilden Gärten und den Stegen, an denen Catboote und Kanus auf den leichten Wellen des Sees tanzten. Die
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