Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens
ausnahmslos von teuren Herrenausstattern wie Brooks Brothers, Ted Lapidus, Henry Poole und Paul & Shark stammte. Außerdem hatte er eine mit Papieren und Dokumenten gefüllte Aktentasche sowie einen Karton mit Fotos und Büchern dabei.
„Familienbilder und alte Tagebücher“, erklärte George. „Das können wir später durchgehen. Ich denke, ich will meine Erinnerungsstücke im Wohnzimmer genießen.“
Claire unterdrückte den Drang, ihn zu fragen, ob er Fotos seiner Familie einer Begegnung mit der realen vorzog – oder ob sie ihm keine andere Wahl gelassen hatte. Doch sie ermahnte sich, sich kein Urteil anzumaßen.
„Die Dame an der Rezeption hat gefragt, ob Sie mit den Bellamys verwandt sind. Möchten Sie mir darüber vielleicht etwas mehr erzählen?“
Er ließ sich in einen gepolsterten Sessel sinken, der so gedreht war, dass man einen perfekten Blick auf den See hatte. „Darüber habe ich eine ganze Menge zu erzählen. Wenn die Zeit gekommen ist.“
„Das liegt ganz bei Ihnen.“ Sie trat an den Schreibtisch und blätterte ein ledergebundenes Buch auf, das den Titel „Resort-Führer“ trug. „Hier steht, dass es in diesem Haus kein Internet gibt“, informierte sie George. „Außer im Haupthaus.“
Er winkte schmunzelnd ab. „Ich benutze es sowieso nur selten.“
„Ich auch“, nickte Claire. „Es gibt bessere Möglichkeiten, seine Zeit zu verbringen, als sich Sachen im Internet anzusehen. Zum Beispiel einen Blick auf diesen See zu werfen.“ Sie zeigte auf den Sonnenuntergang vor dem Fenster. „Würden Sie gerne eine Weile auf der Terrasse sitzen?“
„Was für eine schöne Idee.“
Die Hütte hatte eine mit einer Brüstung versehene Veranda, auf der weiße Korbstühle standen. Eine Schaukel mit Rückenlehne und eine einladende Liege hingen von Haken an der Decke. Sie half George in die Schaukel, und er lehnte sich zurück und ließ seinen Blick über das ruhige Wasser gleiten. Dann nahm er die Zigarren heraus, die sie gekauft hatten, und zündete sich eine an. Beinahe sofort bekam er einen Hustenanfall und wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht hin und her.
„George!“ Sie nahm ihm die brennende Zigarre ab und drückte sie aus. „Geht es Ihnen gut?“
„Jetzt ja. Das ist also etwas, was ich nicht bereue.“ Er schüttelte den Kopf und trank einen Schluck Wasser. „Rauchen war früher so unglaublich chic.“
„Ich bin froh, dass Sie kein Sklave der Moden waren.“
George nahm sein Notizbuch zur Hand und blätterte darin. „Meine Liste ist sehr lang. Ist das unrealistisch?“
„Es gibt dafür keine Regeln.“
Er nickte. „Einen Punkt haben wir schon abgehakt.“
„Wirklich?“
Er zog eine gerade Linie durch Punkt Nummer siebzehn und reichte ihr das Buch mit einer kleinen Verbeugung.
Sie sah sich den Eintrag einen Augenblick lang an. „Den Ort besuchen, an dem ich mich zum ersten Mal verliebt habe“, las sie. Sie reichte ihm das Buch zurück. „Das haben Sie schon getan?“
„Heute.“
„Sie meinen das Resort?“
Er wirkte etwas verlegen. „Nein. Vorher.“
Sie ging in Gedanken die einzelnen Etappen ihrer Reise durch. „Ich verstehe nicht … Warten Sie, George, Sie meinen …?“
Er nickte erneut. „Die Sky River Bakery.“ Er seufzte und starrte einen Moment lang mit einem versonnenen Ausdruck in den Augen auf den Eintrag.
„Haben Sie Hunger, George? Würden Sie gerne zum Abendessen ins Haupthaus gehen?“
„Ehrlich gesagt bin ich ein wenig müde. Mir reicht es, einfach ein wenig hier zu sitzen und mich auszuruhen.“
„Natürlich. Ich hole eben Ihre Medikamente.“ Steroide und andere palliative Medikamente hielten die Symptome im Zaum, aber sie wirkten nur temporär. Das Gute war jedoch, dass er so die Chance hatte, die bescheidenen Freuden des Lebens zu genießen, anstatt sich einer endlosen Reihe von Tagen mit schmerzhafter, zeitintensiver Therapie hinzugeben, die am Ende doch nicht helfen würde.
Als sie in seiner Medikamententasche auf ein Päckchen Viagra stieß, versuchte sie, keine Reaktion zu zeigen. Doch irgendwas musste sich auf ihrem Gesicht abgezeichnet haben. George schien es jedoch gar nicht peinlich zu sein. „Ist nur für den Fall, dass ich noch mal Glück haben sollte. Ist das eine dumme Hoffnung?“
„Sobald Sie aufhören, aufs Glück zu hoffen, ist alles vorbei“, antwortete sie grinsend.
Er schenkte ihr ein herzhaftes Lachen. „Irgendwas sagt mir, dass wir beide prima zurechtkommen werden.“
Sie brachte ihm eine
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