Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens
können. Doch das war nicht passiert. Es war ein freudiges Fest, denn Granddad und Jane und Charles hatten entschieden, sich auf die Liebe in ihren Herzen zu konzentrieren und nicht auf Rivalität oder Bitterkeit oder eine entschwundene Vergangenheit.
„Ross? Was ist los?“ Seine Cousine blickte ihn aufmerksam an.
„Ich muss weg“, rief er eilig. „Sag Granddad – sag ihm einfach, dass ich so schnell wie möglich zurückkomme.“
„Du … du solltest in Haft sein“, zischte Claire durch zusammengebissene Zähne.
„Und dein Freund, der Assistent des Staatsanwalts, sollte sich seines Lebens erfreuen“, erwiderte Vance Jordan. Er sah noch genauso aus wie damals – wie ein Fernsehcop, gut aussehend und stark.
Gott. Lieber Gott! Es passierte erneut. Und dieses Mal war es wirklich ihr Fehler.
„Ich bin sehr enttäuscht von dir, Clarissa“, fuhr Jordan fort. „Du bist lange Zeit sehr klug gewesen, hast dich schön bedeckt gehalten. Hast unser Geheimnis gewahrt, nicht wie die beiden anderen Idioten. Den meisten Menschen fällt es schwer, ein Geheimnis zu behalten.“
Ihr war das überhaupt nicht schwergefallen. Es war für drei Kinder einfacher, ein Geheimnis zu wahren, wenn zwei von ihnen tot waren.
Alles, was sie je über die fürchterliche Verletzlichkeit von Liebenden geglaubt hatte, stellte sich als wahr heraus. In dem Augenblick, in dem Vance Jordan ihr versicherte, wenn sie irgendetwas versuchen würde, würden die Bellamys einer nach dem anderen sterben, hielt sie den Mund. Sie hatte keinen Zweifel, dass er seine Drohung wahr machen würde. Sie tat alles, was er von ihr verlangte. Alles.
Das kleine Wasserfugzeug schaukelte neben dem Steg und zerrte an den Seilen, mit denen es festgemacht war. Geräusche hallten von den bloßen Felswänden wider, die den See umgaben. Sie konnte Vögel singen hören und das Seufzen des Windes, das leichte Plätschern, mit dem die Wellen an die Schwimmer des Flugzeugs schlugen.
Sie fragte nicht, was er für einen Plan hatte. Er würde sie zwingen, die blutgetränkte Hosentasche herauszurücken, das einzige Beweisstück, das ihn unwiderrufich mit den Morden in Verbindung brachte. Und das Traurige war: Sie würde sich ohne Kampf ergeben. Es stand einfach zu viel auf dem Spiel. Sie hatte zugelassen, dass ihr Leben sich mit dem von Ross und seiner Familie verband, und das gab Vance die ultimative Macht über sie.
Das bedeutete allerdings nicht, dass sie schon aufgegeben hatte. Sie hatte immer noch den Transmitter in der Tasche – die Uhr, die sie vorhin abnehmen sollte.
Als erfahrener Polizist hatte Vance ihre Hände mit Plastikhandschellen gefesselt, aber nicht ihre Füße, da sie sich bewegen musste. Er gab ein paar Sekunden nicht acht, während er seine Position auf einem mobilen GPS-System überprüfte, und Claire nutzte die Gelegenheit und den Absatz ihrer Sandale, um das Halteseil des Flugzeugs zu lösen, das wohl in der Eile nur lose festgemacht worden war.
Vance selber hatte ihr mal gesagt, dass es das perfekte Verbrechen nicht gäbe. Der Böse, hatte er erklärt, war in irgendeiner Sache immer nachlässig. Wenn man diese eine Nachlässigkeit fand, konnte man den Typen festnageln.
Als sie damals dieses Gespräch geführt hatten, hätte sie ihn sich niemals als den Bösen vorstellen können. Jetzt jedoch machte ihr all das, was sie früher an ihm bewundert hatte, Angst. Die starken, männlichen Hände, der kantige Kiefer, die entschiedene Haltung.
Der scharfe, wuterfüllte Blick, als der Wind das Flugzeug vom Steg wegtrieb.
„So eine Scheiße!“, brüllte er. „Greif dir die Leine. Sofort! “
Claire stellte sich dumm. „Welche Leine?“
Das Flugzeug trieb weiter ab. Jordan sah sich hektisch um, vermutlich suchte er nach einer Stange, aber er fand keine. „Verdammt! Du wirst es zurückholen.“ Er schnitt die Plastikfesseln durch, um ihre Hände zu befreien, und schubste sie dann vom Steg.
Das eiskalte Wasser schloss sich über ihrem Kopf. Ein Klang, wie sie ihn noch nie zuvor gehört hatte, dröhnte durch das Wasser – das Zischen einer Kugel. Jeder Nerv in ihrem Körper zuckte zusammen, auch wenn sie wusste, dass sie nicht verletzt war. Er hatte lediglich einen Schuss abgegeben, um ihr zu zeigen, dass er es ernst meinte. Wenn er sie hätte treffen wollen, wäre sie jetzt tot.
Sie hielt solange es ging den Atem an, versuchte, Zeit zu schinden. Das brachte ihn dazu, noch einmal zu schießen. Als sie kurz davor stand, zu explodieren, tauchte
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