Sommerflammen
kriegen wir genug Frauen für einen kleinen Nähzirkel zusammen. Oder für einen Literaturkreis.«
Rowan lachte. »Und anschließend backen wir Kuchen für wohltätige Zwecke.«
»Cupcakes. Ich habe eine Schwäche für Cupcakes.« Janis beugte sich ein Stück weit vor, um besser aus dem Fenster schauen zu können. »Ich vermisse das hier, sobald ich weg bin, und frage mich, was ich eigentlich in der Stadt will, wenn ich mit Country-Club-Typen Krankengymnastik gegen ihren Tennisarm mache.« Sie seufzte. »Und im Juli frage ich mich dann, was ich eigentlich hier will, wenn ich an Schlafentzug leide und mir alles wehtut, wo ich doch meine Mittagspause am Pool verbringen könnte.«
»Zwischen Missoula und San Diego liegen Welten.«
»Allerdings. Du fühlst dich nicht so hin- und hergerissen. Du lebst hier. Für die meisten von uns ist das ihr Zuhause - so lange, bis die Saison vorbei ist. Dann ist unser Zuhause in der alten Heimat. Das kann einen schon ganz schön durcheinanderbringen.«
Als der Kleinbus hielt, sah sie Rowan mit ihren warmen braunen Augen an: »Da wären wir wieder.«
Rowan kletterte aus dem Bus und sog gierig die frische Luft ein. Der Frühling mit seinen grünen Wiesen, Wildblumen und sanften Brisen würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Sie entdeckte die Fähnchen, die die Strecke markierten. Der Leiter des Fliegerhorsts, Michael Little Bear, erklärte die Vorgaben.
Sein langer schwarzer Zopf fiel auf seine knallrote Jacke. Rowan wusste, dass als Ersatz für die Zigaretten eine Packung Bonbons in seiner Tasche steckte, da er sich über den Wnter das Rauchen abgewöhnt hatte.
L.B. und seine Familie wohnten nur einen Steinwurf vom Fliegerhorst entfernt, und seine Frau arbeitete für Rowans Vater.
Jeder kannte die Vorgaben: Den Parcours ablaufen, und zwar unter zweiundzwanzig Minuten und dreißig Sekunden. Sonst konnte man gleich wieder kehrtmachen und es eine Woche später noch einmal probieren. Ging es erneut schief, musste man sich nach einem neuen Sommerjob umsehen.
Rowan machte Dehnübungen für Oberschenkel und Waden.
»Ich hasse diesen Mist.«
»Du schaffst es.« Sie rammte Trigger spaßeshalber den Ellbogen in den Bauch. »Stell dir vor, hinter der Ziellinie wartet eine fette Pizza auf dich.«
Er lachte schnaubend, während sie sich in die Startaufstellung begaben.
Sie machte sich Mut und konzentrierte sich, während L.B. zum Kleinbus zurückging. Als der losfuhr, rannten auch sie los. Rowan drückte auf den Startknopf der Stoppuhr und mischte sich unter die anderen. Sie kannte jeden Einzelnen, schließlich hatten sie gemeinsam geschuftet, geschwitzt, ja füreinander ihr Leben riskiert. Sie wünschte allen von Herzen viel Glück bei dem Lauf. Doch in den nächsten zweiundzwanzig Minuten und dreißig Sekunden war jeder Mann und jede Frau auf sich selbst angewiesen.
Sie rannte los, steigerte ihr Tempo und lief um das, was im Grunde ihr Leben ausmachte. Sie bahnte sich einen Weg durch die Menge und rief anderen ermutigende Worte oder Sticheleien zu - je nachdem, was den Betreffenden mehr anfeuerte. Sie wusste, dass viele Knieschmerzen, einen rasenden Puls oder Seitenstechen hatten. Das Frühlingstraining hatte manche fit gemacht, andere jedoch mit Verletzungen endassen.
Aber an so etwas durfte sie jetzt gar nicht denken. Sie konzentrierte sich auf die ersten anderthalb Kilometer. Als sie die Markierung passiert hatte, sah sie auf ihre Uhr: vier Minuten und zwölf Sekunden.
Jetzt die nächsten anderthalb Kilometer, befahl sie sich und lief bewusst locker, mit gleichmäßigen Schritten -auch noch, als Janis sie grinsend überholte. Ein Brennen erfasste ihre Zehen, Knöchel und Waden. Schweiß lief ihr über den Rücken, die Brust, über ihr wild schlagendes Herz.
Sie hätte ihr Tempo drosseln können, denn sie lag gut in der Zeit, aber die Vorstellung, zu stürzen oder sich den Knöchel zu verstauchen, trieb sie weiter an.
Nur nicht nachlassen!
Nachdem sie die nächsten anderthalb Kilometer hinter sich gebracht hatte, ließ sie auch das Brennen und den Schweiß hinter sich. Ihr Kopf war vollkommen leer. Noch zwei Kilometer. Sie überholte einige und wurde von anderen überholt, während ihr das Blut in den Ohren pochte. Wie vor einem Fallschirmsprung hatte sie den Blick fest auf den Horizont gerichtet, dorthin, wo sich Himmel und Erde berühren. Ihre Begeisterung half ihr, auf den letzten Metern durchzuhalten.
Sie sauste durchs Ziel, hörte, wie L.B. ihren Namen und ihre
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