Sommerfrische – Verbotene Kuesse im Mondschein
darauf, was Adam erwidern würde.
Schweigend stand er auf und entfernte sich einige Schritte von ihr. “Wenn du gestattest, erzähle ich dir von Mary, und danach wirst du mich verstehen. Es ist mir sehr wichtig, dass es kein Missverständnis gibt. Sie war siebzehn und ich ein Jahr älter, als wir miteinander durchbrannten. Ich wusste, mein Vater würde die Verbindung nie billigen. Auch Marys Eltern wären nicht einverstanden gewesen. Beide Parteien fanden, wir seien noch viel zu jung und würden außerdem nicht zueinander passen.” Adam zuckte mit den Schultern. “Wir wussten jedoch genau, was wir wollten. Also sind wir nach Gretna Green gefahren, und danach mussten unsere Eltern sich mit der vollendeten Tatsache abfinden. Natürlich war das zunächst eine äußerst gespannte Situation, die sich jedoch mit der Zeit besserte. Fünf Jahre lang waren Mary und ich sehr glücklich. Wir hatten keine Kinder, fanden jedoch, dafür sei noch Zeit genug. Dann bekam Mary Scharlach und starb zwei Wochen später. Zunächst konnte ich mich nicht mit ihrem Tod abfinden. Sie war noch so jung gewesen. Außerdem war unsere Ehe nie auf die Probe gestellt worden. Abgesehen von dem für uns romantischen Abenteuer der heimlichen Reise nach Gretna Green hatten wir nie irgendwelche Schwierigkeiten zu lösen gehabt. Plötzlich stand ich jedoch allein da.”
Mitfühlend schaute sie ihn an. Seine Stimme hatte ausdruckslos geklungen. Annis ahnte jedoch, dass er sehr bewegt war. Sie wäre gern zu ihm gegangen und hätte ihn getröstet, wagte es indes nicht. Irgendwie war er innerlich sehr weit von ihr entfernt. Sie befürchtete, dass er, wenn sie zu ihm ging, ungehalten reagieren könne.
“Aber das Herzweh dauert nicht ewig”, fuhr er fort. “Der anfängliche Schmerz lässt nach, obwohl er nie ganz aufhört.” Er zuckte mit den Schultern. “Ich bin in den Krieg gezogen und habe gegen die Franzosen gekämpft. Dann bin ich heimgekehrt und habe, wie ich gestehen muss, ausgiebig die Freuden des Lebens genossen. In dieser Zeit habe ich auch festgestellt, dass man sehr wohl allein leben kann. Aber man fühlt sich irgendwie leer. Die Jahre verstrichen, und ich hatte nie das Glück, eine Frau zu treffen, die ich hätte heiraten wollen. Bis ich dann dich kennenlernte.” Er ging zu Annis zurück, setzte sich wieder zu ihr und ergriff ein weiteres Mal ihre Hände. “Ich liebe dich, Annis. Ich habe mich von Anfang an zu dir hingezogen gefühlt und schnell erkannt, dass ich mich mit dir vermählen möchte. Man kann sehr wohl mehrmals im Leben jemanden von ganzem Herzen lieben. Was ich für Mary empfand, war eine stürmische Jugendliebe, die sich, dessen bin ich mir sicher, mit der Zeit in eine tiefere Beziehung verwandelt hätte. Das, was ich für dich fühle, kann ich nicht damit vergleichen. Ich bin jetzt ein gestandener Mann, kein achtzehnjähriger Jüngling mehr.”
Er umarmte sie, und Annis schmiegte sich an ihn. Er bot ihr alles, was sie sich je hätte wünschen können, und das erschien ihr beinahe unglaublich. Vor Rührung kamen ihr die Tränen.
“Warum weinst du?”, wunderte er sich.
“Es tut mir leid”, flüsterte sie, schüttelte leicht den Kopf und löste sich aus Adams Armen. “Du bist so großzügig, und ich …” Sie hielt inne, weil sie ihm nicht sagen konnte, dass sie ihn liebte. Aber dennoch hing dieses Geständnis unausgesprochen in der Luft. Sie wollte ihm ihre Zuneigung gestehen, wollte an die Wahrheit ihrer Worte glauben, die ihr auf der Zunge lagen. Trotzdem sprach sie nicht aus, was sie bewegte, sondern erwiderte: “Ich glaube, ich bin neidisch, und das ist kein schöner Charakterzug. Im Vergleich zu deiner Ehe war meine sehr unglücklich.”
“Das ist ganz bedeutungslos, Annis”, entgegnete Adam und schaute sie zärtlich an.
Fast wäre sie wieder in Tränen ausgebrochen.
“Das heißt nicht, dass wir nicht miteinander glücklich werden können”, fuhr er zuversichtlich fort. “Ich bin bereit, zu warten, bis du dich entschließt, mir zu erzählen, was geschehen ist.”
11. KAPITEL
D ie Trauung sollte in einer Woche stattfinden. Annis hatte ihr Eigentum aus dem Haus in der Church Row entfernen und nach Eynhallow bringen lassen. Bis auf Mrs. Hardcastle, die jetzt in Starbeck ihren Dienst versah, war das Personal entlassen worden. Plötzlich hatte Annis das Gefühl, nichts mehr zu tun zu haben. “Ich bin so daran gewöhnt, beschäftigt zu sein, dass ich mir jetzt vollkommen nutzlos vorkomme”, vertraute
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