Sommerlicht Bd. 1 Gegen das Sommerlicht
sie keine Ahnung gehabt hatte, wie kalt Beiras Eis wirklich sein konnte.
Als Donia sich umwandte, um der Winterkönigin etwas zu erwidern, hörte sie ein halb hustendes, halb würgendes Geräusch.
In der Ecke kauerte Seth und versuchte aufzustehen, aber seine Beine steckten in meterhohem Schnee. Sein Oberkörper war halb entblößt, sein Hemd von offenbar klauenbewehrten Wesen in Fetzen gerissen worden.
Beira beugte sich herab. Ihr eisiger Atem streifte Donias Gesicht; ihr Frost verfing sich in Donias Haaren. »Du solltest mir helfen. Stattdessen hast du gemeinsame Sache mit dem Feind gemacht.«
»Ich habe das Richtige getan. Keenan ist …«
Beira schnaubte verächtlich und presste Donia eine Hand auf den Mund. »Du. Hast. Mich. Verraten.«
»Mach sie nicht noch wütender«, rief Seth schwach, während er sich aus der Schneeverwehung freikämpfte. Seine Jeans war in demselben Zustand wie das Hemd. Blut tropfte in den Schnee. Eins der Piercings in seiner Augenbraue war herausgerissen worden, und eine schmale Blutspur rann seine Wange hinab.
»Hübsches Kerlchen, nicht wahr? Er schreit nicht so wie die Waldelfen, ist aber trotzdem ganz unterhaltsam. Ich hatte fast vergessen, wie leicht es ist, den Willen Sterblicher zu brechen.« Beira leckte sich über die Lippen, während sie zusah, wie Seth versuchte sich aufzurichten. Er zitterte am ganzen Körper, gab aber nicht auf.
Donia sagte nichts.
»Aber du , na, ich weiß ja, wie viel mehr Schmerzen du aushältst.« Beira legte ihre Hände um Donias Kopf und schlug ihre bereits blutigen Fingernägel in Donias Hals und Wangen. »Soll ich dich den Wölfen vorwerfen, wenn ich mit dir fertig bin? Denen macht es nichts, wenn ihr Spielzeug schon ein bisschen mitgenommen aussieht.«
»Nein!«, rief Seth, und sein verzweifelter Ton verriet, dass er bereits die Bekanntschaft der Wolfselfen gemacht hatte.
Beira wandte sich zu ihm um und blies. Rasiermesserscharfe Stacheln aus Eis schnellten aus dem Boden hervor, über den er kroch. Mehrere von ihnen bohrten sich in seine Beine.
»Er ist ganz schön zäh, findest du nicht?«, meinte Beira lachend.
Donia sagte nichts und rührte sich nicht von der Stelle. Stattdessen verdrehte sie die Augen.
Eine Sekunde lang starrte Beira sie nur an. Dann lächelte sie so kalt und grausam wie die schlimmsten Dunkelelfen.
»Es würde wirklich mehr Spaß machen, wenn du mitspielen würdest. Das ist es, worauf du hinauswillst, nicht wahr? Du willst mich austricksen, damit du fliehen kannst.« Beira schlug sie, und Donias Kopf prallte so heftig gegen den Fußboden, dass ihr übel wurde. »Aber das wird dir nicht gelingen.«
Dann schmolzen die Eisfesseln, und die Frostbeulen, die zurückblieben, waren der einzige Beweis dafür, dass sie da gewesen waren.
Donia krabbelte, ohne auf die Eissplitter zu achten, die sich in ihre Füße bohrten, zu Seth und half ihm auf. Sie hatte keine Chance, gegen Beira anzukommen, aber sie war immer noch eine Elfe – also stark genug, einen Sterblichen zu tragen und mehr Schmerzen auszuhalten als er.
»Die Tür ist dahinten«, murmelte er, als sie ihn weiterschleppte.
»Wie süß!«, säuselte Beira. »Die tragischen Liebenden des vermaledeiten Sommerhofes halten zusammen. Wirklich rührend.«
Sie schaute eine Zeit lang zu, wie die beiden gegen die wachsende Barriere aus Eis ankämpften, feuerte sie bei dem kleinsten Fortschritt an und legte ihnen zugleich immer noch mehr Hindernisse in den Weg.
Donia sagte nichts. Sie brauchte ihre Energie für den Versuch, mit Seth die Tür zu erreichen. Doch es war aussichtslos.
Schließlich winkte Beira die Hexen näher heran. »Hat der Ebereschenmann es endlich geschafft, bis zu meinem verblödeten Sohn zu kriechen?«
Als die Hexen nickten, klatschte Beira in die Hände. »Wie schön! Dann werden sie bald hier sein. Das wird ein Spaß!«
Danach legte sie den Kopf auf die Seite und sah Donia fragend an. »Was glaubst du? Werden sie wütender sein, wenn du schon tot bist oder wenn du noch leidest?
Entscheidungen, Entscheidungen«, murmelte sie, während sie langsam und graziös über die Klingen aus Eis schritt, als würde sie ein Theater betreten.
»Nur um sicherzugehen, nehmen wir von beidem etwas, hmm?«, sagte Beira, zerrte Donia an den Haaren nach oben und küsste sie auf beide Wangen. »Wenn ich mich recht erinnere, hab ich dir ja bereits gesagt, was dir blüht, meine Liebe.«
Seth rutschte zu Boden und streckte im Fallen die Hände nach Donia aus, aber
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