Sommermaerchen
wenn er gewusst hätte, dass sie ihn heiraten wollte. Das aber wollte sie nicht, sie hatte es selbst gesagt. Vermutlich hätte sie es vorgezogen, einen langweiligen verlässlichen Mann wie Asher zu ehelichen.
„Guten Tag“, antwortete Beatrice errötend. Sie hatte diese Begegnung gefürchtet, aber nicht geahnt, wie ausgesprochen unbehaglich sie sich bei ihrem Wiedersehen mit Charles fühlen würde.
Er ging zum Fenster und sah hinaus. „Ich dachte, du würdest vielleicht gerne im Park spazieren gehen“, sagte er ohne sich umzudrehen.
Sie nickte. „Ja.“
Charles wandte sich ihr zu, ließ den Blick über ihr Gesicht gleiten. Ihre Miene war unergründlich, und er wünschte, er könnte ihre Gedanken lesen. Mit raschen Schritten ging er zum Sofa, um ihr beim Aufstehen zu helfen. Den Blick gesenkt, ergriff sie seine Hand, und er musste schwer schluckend das Verlangen unterdrücken, sie einfach in seine Arme zu ziehen. Nicht, um sie zu küssen, vielmehr, weil sie so verletzlich aussah und er sie umarmen, spüren und ihr versprechen wollte, dass alles ein gutes Ende nehmen würde. Das tat er jedoch nicht. Nachdem er ihr aufgeholfen hatte, ließ er ihre Hand los, hielt ihr die Tür auf, und sie verließen schweigend das Zimmer.
Charles hatte sich nie zuvor in seinem Leben derart hin- und hergerissen gefühlt. Um keinen Preis der Welt wollte er in den Stand der Ehe treten, Beatrice indes wollte er um jeden Preis an seiner Seite wissen. Er hegte Gefühle für sie, die er nie zuvor verspürt hatte, wenngleich dies nichts an der Tatsache änderte, dass er diese Gefühle unterdrücken musste. Ließ er ihnen freien Lauf, ließ er zu, dass er sie zu sehr liebte oder sie ihn ... Er wagte es nicht, an die Folgen zu denken.
Lange hatte er darüber nachgedacht, wie er es vermeiden konnte, dass ihre Gefühle füreinander zu stark wurden. Schließlich hatte er eine Lösung gefunden, wenngleich sie ihm auch nicht gefiel. Er wusste nicht, was Beatrice dazu sagen würde, aber es gab keinen anderen Ausweg, wenn er sich – und sie – schützen wollte.
Schweigend flanierten sie durch den Park. Der Spätsommertag war sonnig, der Himmel strahlend blau, und sie hatten den Weg ganz für sich allein.
Schließlich brach er das Schweigen. „Beatrice, so kann es nicht weitergehen.“
„Ich verstehe nicht“, sagte sie, insgeheim befürchtend, er wolle ihr den Laufpass geben.
Charles blieb stehen und sah sie an. „Wir werden in zwei Tagen heiraten, ob es uns gefällt oder nicht. Können wir nicht wenigstens versuchen, das Beste aus dieser Situation zu machen?“
„Was willst du damit sagen?“
„Ich weiß, dass du wütend auf mich bist, Beatrice. Das kann ich dir nicht verdenken.
Ich bin selbst wütend auf mich. Immerhin bin ich schuld an der Misere, in der wir uns befinden.“
„Und worauf willst du nun hinaus?“, fragte sie und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr seine Worte sie verletzten. Sie wusste, dass ihre Hochzeit nicht unter optimalen Bedingungen stattfand, aber es war ihr verhasst, ihn dies als
„Misere“ bezeichnen zu hören. Sie war wütend auf ihn, dennoch hegte sie die leise Hoffnung, sie würden glücklich miteinander werden.
„Ich schlage vor, wir treffen eine Vereinbarung. Diese Hochzeit haben wir nicht beabsichtigt, und ich kann mir nicht vorstellen, dass wir eine normale Ehe führen werden. Wie du selbst sagtest, sind wir beide nicht für die Ehe geschaffen.“
„Normal?“
„Ja, wie in ‚... und sie lebten glücklich mit ihrer wachsenden Kinderschar bis ans Ende ihrer Tage auf ihrem Landsitz‘. Das meine ich mit normal.“
Sein zynisch-barscher Ton ließ sie zusammenzucken, aber Charles bemerkte es nicht.
Er fuhr fort: „Schau, Beatrice, ich genieße deine Gesellschaft, und du schätzt wohl auch die meine, und ich denke, wir sind uns einig, dass wir einander ... begehren.
Damit haben wir ein solideres Fundament als die meisten Ehepaare. Ich will dich zwar nicht heiraten, aber ich will dich, Beatrice – sehr sogar.“
Ihre Miene erstarrte zur undurchdringlichen Maske. „Ich verstehe. Und wie lautet dein Vorschlag?“
„Falls einer von uns beiden jemals den Wunsch verspüren sollte, eine andere ...
Beziehung einzugehen, dann sollten wir darüber sprechen. Natürlich erst, wenn dieser Fall eintritt.“
„Heißt das etwa, du planst eine Affäre?“, fragte sie mit vor Zorn blitzenden Augen.
Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Eine Affäre zu haben war verflucht noch
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