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Sommersturm (German Edition)

Sommersturm (German Edition)

Titel: Sommersturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Büttner
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„Außerdem hat
sie praktisch keinen Busen.“
    „Eine
Schnepfe ist sie sicher nicht“, erwiderte Henry. „Sie ist das tollste Mädchen
an der ganzen Schule.“ Auf die Sache mit dem Busen ging er nicht ein.
    „Findest
du?“, fragte ich. So genau hatte ich sie mir noch gar nicht angeguckt. Sie war
mir zu jung, höchstens vierzehn, während ich mittlerweile hart auf die Sechzehn
zusteuerte.
    „Du
stehst wohl auf sie?“, fragte ich. „Bist du ... verknallt?“
    Henry
sagte nichts, sein Gesicht jedoch überzog sich mit einem Hauch Rosa Hauch. Ich
bohrte nicht weiter nach.
    „Für
dich bedeutet es nichts“, meinte Henry verdrossen, „wenn Luisa auf dich steht,
weil fast alle auf dich stehen.“
    „Quatsch!“
    Natürlich
musste ich das sagen, schon aus Gründen der Bescheidenheit, auch wenn Henry
vielleicht Recht hatte. Da mich keines der Mädchen an der Schule interessierte,
war es sowieso egal. Sie waren kindisch und albern.
     „Von
wegen Quatsch“, sagte Henry. „Du kannst jede haben, die du willst.“
    „Ich
will aber keine.“
    Misstrauisch
sah Henry mich an.
    „Bist
du ... schwul?“
    „Willst
du dir eine fangen?“
    „Entschuldige.
War nicht so gemeint. Ich dachte nur ... könnte ja sein, oder?“
    „Könnte
nicht. Blödmann!“
    Ich
war nicht wirklich sauer. Ich hatte überhaupt nichts gegen Schwule. Außerdem war
ich längst mit etwas ganz anderem beschäftigt, denn zum ersten Mal fielen mir
all die roten, entzündeten Pickel in Henrys Gesicht auf. Und schon jetzt, mit
sechszehn, hatte er schütteres Haar. Nicht lange und er würde eine Glatze
haben, höchstens noch einen Haarkranz. Er trug eine Brille mit dicken Gläsern,
das Gestell war megahässlich. Alles in allem war Henry wirklich kein
Glücksgriff der Natur. Wenn ich schwul gewesen wäre, hätte ich mich ganz
bestimmt nicht in ihn verguckt.
    Auch
bei den Mädchen würde er sicher nie einen Stich haben, denn zu allem Überfluss
war er auch noch schüchtern. Aber er träumte von Mädchen wie ein Besessener.
Mein Mitleid brachte mich auf eine Idee.
    „Soll
ich dir ein Mädchen ... besorgen?“, fragte ich.
    „Was
soll das denn heißen: besorgen?“ Henry starrte mich verständnislos an.
    „Das
lass nur meine Sorge sein“, sagte ich. „Soll ich?“
    „Mich
interessiert nur eine richtig“, entgegnete Henry traurig. „Und ich glaub nicht,
dass du mir die besorgen kannst, was auch immer das heißen soll. Mit der
geht das nicht, da bin ich sicher.“
    „Luisa?“
Reine Formsache, dass ich die Frage noch stellte, die Antwort war klar. Henry
druckste ein bisschen herum. Dann nickte er stumm, ohne mich anzusehen. Mein
Entschluss stand fest.
     
    „Glaubst
du, dass mein Vater wirklich wollte, dass ich in ein Heim komme?“ Seit Monaten
schleppte ich diese Frage jetzt schon mit mir herum. Dass ich sie nun
aussprach, kam für mich selbst überraschend. Ich saß in der Küche auf einem
Stuhl, die Tür zum Flur war offen. Dort stand Betty vor dem großen Spiegel und
versuchte, ihren Bauch einzuziehen. Da sie keinen hatte, war das schwierig, und
sie strengte sich mächtig an. Sie guckte so unglücklich, dass man hätte meinen
können, sie schleppe ein Übergewicht von mindestens dreissig Tonnen durch die Welt.
    Auf
meine Frage hatte sie mir noch nicht geantwortet. Vielleicht hatte sie sie gar
nicht gehört. Oder ich hatte sie nur  gedacht und nicht 
ausgesprochen, was ich für möglich hielt. Manchmal hatte ich seltsame
Anwandlungen in der letzten Zeit.
    Obwohl
der Tod meines Vaters schon ein paar Monate zurücklag, war ich noch immer
reichlich durcheinander. Der Gedanke an seinen Unfall tat kaum weniger weh als
am ersten Tag und manchmal war ich sicher, dass das so bleiben würde bis ans
Ende meines Lebens. Und es war nicht weniger schmerzhaft, nur weil wir uns
zuletzt ziemlich oft gestritten hatten.
    Als
Betty wieder aus ihrer Selbstbetrachtung auftauchte, antwortete sie:
    „Warum
hätte er dich weggeben sollen? Vielleicht hat er in der Wut mal so was gesagt.
Aber er hat es bestimmt nicht ernst gemeint.“
    Wir
wollten zum Baden ans Meer und Betty sah weiterhin überall Fettpölsterchen. Am
Anfang hatte ich noch Einspruch erhoben, dann aber schnell die Sinnlosigkeit meiner
Bemühungen erkannt. Sie wollte an sich herumnörgeln, da war jeder
Widerspruch zwecklos.
    „Zwischen
meinem Vater und mir“, sagte ich, „war es nie so ganz ... einfach. Er war schon
wichtig für mich, gerade nach Mutters Tod, aber irgendwie hatten wir

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