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Sommersturm (German Edition)

Sommersturm (German Edition)

Titel: Sommersturm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Büttner
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hörte nur noch, wie Betty
die Treppe runterrannte .
     
    Tante
Martha und Onkel Kurt standen vor der Tür. Eigentlich klar, denn sie waren in
dieser Zeit unser einziger regelmäßiger Besuch. Und auf den hätten wir beide
gern verzichtet.
    Alle
ihre Besuche waren unangekündigt. Ganz offensichtlich kamen die beiden nicht,
weil wir ihnen so sehr am Herzen lagen, nein: Sie inspizierten die Lage vor
Ort.
    „Was
macht die Schule, Julian, alles in Ordnung?“
    „Alles
bestens, Tante Martha.“
    „Das
ist sehr schön, mein Junge. Das freut uns wirklich sehr. Nicht wahr, Kurt?“
    „Ja“,
pflichtete der bei. „ das freut mich auch sehr, Julian, wirklich.“ Wir saßen um
den großen Küchentisch herum. Kurt rührte er seit mindestens drei Minuten in
seinem Tee herum. Dabei war  ich mir nicht sicher, ob er überhaupt Zucker
hineingetan hatte. Keiner sah dem anderen in die Augen.
    Marthas
Blicke schweiften nervös durch den Raum, als suche sie etwas, über das sie sich
später aufregen konnte. So was wie Staub auf dem Regal oder Essensreste auf dem
Fußboden. Kurt presste die Fingerkuppen beider Hände so fest gegeneinander,
dass sie schneeweiß wurden und blickte angestrengt aus dem Fenster. Betty
machte ein freundliches Gesicht, wie immer bei diesen Besuchen. Sie war so
nett, dass es einem fast die Schuhe auszog. Obwohl ich nicht genau wusste, was
sie damit bezweckte, spielte ich instinktiv ihr Spiel doch mit.
    „Jetzt
habe ich ganz die Kekse ganz vergessen!“, rief sie und schien entsetzt. „Warum
sagt ihr denn nichts? Tee ohne Kekse, also wirklich! Martha! Kurt!“
    Martha
lächelte großmütig, ihr war klar, dass die Fürsorge ihrer Schwester bewusst
übertrieben war. Betty ging zum Küchenschrank, Kurt starrte wie hypnotisiert
auf ihren Hintern, der in einer engen Jeans steckte. Martha ertappte ihn und
warf ihm vernichtende Blicke zu, woraufhin er knallrot wurde.
    Betty
drehte sich um und lächelte herausfordernd. „Bitte sehr“, säuselte sie, „die
Kekse. Ich habe sie extra für dich gekauft, Kurt. Sind doch deine
Lieblingskekse, nicht wahr? So was kleines Süßes? Oder
täusche ich mich?“ Sie hielt ihm die winzige Silberschale mit Gebäck unter die
Nase. Kurt blieb stumm, schnappte sich aber hastig einen der kleinen
Schokokekse, was auch eine Antwort war.
    Wieder
kapierte ich nicht, warum Betty ihre Pfeile ausgerechnet auf den armen Kurt
abfeuerte. Ich fand nach wie vor, dass er der einzig halbwegs Erträgliche in
dieser verlogenen Familie war. 
    Martha
musterte Kurt, als habe er mit dem Griff nach dem Keks Hochverrat begangen. Ich
glaube, am liebsten hätte er die Krümel wieder ausgespuckt.

 
    6
     
    Seitein paar Tagen sitze ich und schreibe täglich mehrere Stunden. Jedes Mal
habe ich zuerst überhaupt keine Lust dazu, aber dann, wenn die ersten Worte auf
dem Papier stehen, packt es mich doch und ich mache weiter. 
    Für
meine Mitbewohner bin ich dann praktisch nicht da. Mich anzusprechen hat keinen
Sinn. Heute Nachmittag aber gab es die große Ausnahme: Nachdem ich das von
Betty aufgeschrieben hatte, wie sie die Treppe rauf und runter lief und nur
hören wollte, was ich wirklich von ihr dachte, da hatte ich plötzlich so ein
blödes Gefühl – keine Ahnung, weshalb genau - am liebsten aber hätte ich mein
ganzes Geschreibsel in den Papierkorb geworfen. Habe ich dann zwar doch nicht
gemacht, aber ich musste trotzdem weg vom Schreibtisch.
    Draußen
hab ich dann mit ein paar anderen eine Runde Basketball gespielt. Und plötzlich fiel mir ein ganz bestimmter Tag wieder ein,
den ich beinahe schon vergessen hatte. Liegt  auch fast zwei Jahre zurück.
Aber auf einmal hatte ich ihn wieder ganz genau vor Augen.
    Es
war, als hörte ich Henrys Stimme sagen: „Luisa steht auf dich.“ Dabei steckte
er sich bereits die dritte Zigarette mit der letzten runter gebrannten Kippe
an. Es war ein früher Sommerabend, wir hatten bei der alten Schule Basketball
gespielt und befanden uns auf dem Heimweg. Henry war eigentlich kein
Basketballtyp, aber ein bisschen was hatte er doch gelernt in den letzten
Wochen.
    Seine
Bemerkung über Luisa hatte er mir in der für ihn üblichen trockenen Art aufs
Brot geschmiert. Egal, über was er redete, es klang immer, als ginge es
höchstens ums Wetter.
    „Kann
schon sein“, erwiderte ich kühl. „Aber was soll’s?“
    Henry
konnte es nicht fassen.
    „Das
ist nicht dein Ernst, oder?“
    „Luisa
ist genau so eine Schnepfe wie alle anderen auch“, brummte ich.

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