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Sommersturm

Sommersturm

Titel: Sommersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Buettner
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ich
sie mal zusammen sah, benahmen sie sich nur wie gute Freunde. Trotzdem brannte
in mir die Frage, ob sie ihn in jener Albtraumnacht doch noch getroffen hatte.
    Henrys
Mutter war ungefähr vierzig, wirkte aber mindestens zehn Jahre älter. Dass sie
nicht viel Freude am Leben hatte, sah man ihr sofort an: Zwischen den Augen
hatte sie zwei tiefe Falten, der Mund schien bitter. Die Familie wohnte in
einem Block mit sechs Wohnungen, ich traf Henrys Mutter im Treppenhaus. Sie
hatte eine riesige Einkaufstasche dabei. Es roch stark nach Mittagessen, obwohl
Mittag längst vorbei war. Wir waren uns schon ein paarmal begegnet, aber sie
erkannte mich nicht sofort. Erst als ich nach Henry fragte, wusste sie
Bescheid.
    „Julian,
nicht wahr?“, sagte sie. Ihr Lächeln wirkte angestrengt, sie erregte mein
Mitleid. „Henry liegt oben im Bett. Ich weiß auch nicht, was mit dem Jungen los
ist. Er redet ja nicht mit mir. Aber dass es keine Grippe ist, sehe ich.
Überall hat er blaue Flecken. Vielleicht redet er mit Ihnen.“
    „Ich
wollte ihm nur seine Kamera zurückbringen“, sagte ich. „Aber wenn Sie meinen,
dann rede ich mit ihm.“
    Als
ich  ihr vorschlug, mich zu duzen, schaute sie skeptisch an mir herab.
    „Ich
weiß nicht“, sagte sie. „Sie sehen schon so ... erwachsen aus. Viel mehr als
Henry. Aber gut, ich will es versuchen: Du.“ Sie lächelte vorsichtig. Ich
lächelte zurück und ging nach oben.
    „Gehen
Sie einfach rein!“, rief sie mir noch hinterher. „Ich meine natürlich: Geh
einfach rein. Die Tür ist nicht abgeschlossen. Henry wird sich, freuen, Sie ...
äh ... dich zu sehen.“
     Der
aber schien nicht so begeistert, als ich plötzlich vor ihm stand. Im Bett lag
er nicht, sondern saß im Wohnzimmer vorm Fernseher. Der Geruch nach Mittagessen
kam eindeutig nicht aus dieser Wohnung.
    „Ich
bring dir deine Kamera zurück“, sagte ich.
    „Prima“,
antwortete Henry und steckte sich eine Zigarette an.  „Setz dich doch.“
    „Du
siehst gar nicht krank aus“, meinte ich und legte die Kamera vorsichtig auf den
Tisch. „Was hast du denn?“
    „Grippe“,
erwiderte er, guckte die Kamera an und mich nicht. „Fieber und Kopfschmerzen
halt, das Übliche.“
    Von
den blauen Flecken sagte er nichts.
    „Dann
würde ich die Fluppe lieber ausmachen“, schlug ich vor. „Bekommt dir nicht.“
    Er
winkte ab. „Kommt auch nicht mehr drauf an“, meinte er. „Jetzt setz dich doch
endlich.“
    „Zwei
Wochen Grippe?“, bohrte ich weiter.
    „Was
denn sonst? Du machst mich nervös, setz dich hin.“
    Ich
tat ihm den Gefallen, schließlich erwartete ich noch einige Erklärungen von
ihm.
    „Hat
diese Grippe etwas mit deinem Besuch bei Dean zu tun?“ Warum sollte ich lange
um den heißen Brei herumreden?
    Übertölpelt
starrte Henry mich an. „Spinnst du?“, sagte er. „Was soll ich denn bei Dean?
Ausgerechnet bei diesem Arschloch.“
    „Genau
das“, meinte ich grinsend, „hab ich mich auch gefragt. Offen gestanden frag ich
mich das noch immer.“
    „Du
hast mich gesehen?“ Er machte nicht mehr den leisesten Versuch, es zu leugnen.
    Ich
nickte stumm.
    .
    „Hier
ist noch eine Kassette drin“, sagte er und nahm die Kamera in die Hand – ein
plumper Ablenkungsversuch. Es war der Film von Kurts Fünfzigstem, ich hatte ihn
vergessen. Ich sagte, er solle diese Kassette mal in den Rekorder einlegen, was
er auch sofort tat.
    Mir
fehlte jedes Talent zum Kameramann. Das Bild wackelte, als handele es sich um
Originalaufnahmen von der Titanic . Aber wenn ich mich anstrengte, konnte
ich doch einzelne Gesichter erkennen, am deutlichsten die von Betty und Martha.
    Aber
noch immer wusste ich nicht, was Henry in jener Nacht bei Dean gemacht hatte.
Und nur deshalb war ich hier.
    „Also?“,
sagte ich.
    „Deine
Aufnahmen haben das gewisse Etwas. Den besonderen Kick, man sieht die
persönliche Note des Kameramannes.“
    Mit
keiner Silbe ging ich auf diesen Käse ein.
    „Was
hast du bei Dean gemacht?“, hakte ich nach. 
    „Darüber
kann ich nicht sprechen“, sagte Henry und drückte seine Zigarette auf einem Blumenuntertopf
aus.
    „Ich
dachte, wir sind Freunde?“, sagte ich leise.
     Wir
schauten aneinander vorbei.
    „Sind
wir auch.2
    „Freunde
können über alles reden.“
    „Nicht
immer“, sagte Henry.
    „So
läuft das nicht. Entweder du erzählst mir jetzt, was los ist oder mit der
Freundschaft ist es aus.“
    „Dean
hat mich gezwungen“, sagte er und machte ein so verzweifeltes Gesicht, dass er
mir

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