Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommersturm

Sommersturm

Titel: Sommersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Buettner
Vom Netzwerk:
ungehaltener als geplant.
    „Wenn
es möglich ist, unter vier Augen.“
    „Natürlich
ist das möglich“, meinte Betty. „Aber ich verstehe den Sinn nicht.“
    „Es
ist nur in Ihrem Interesse“, versicherte Kullik. „So kann ich ausschließen,
dass Julian etwas sagt, um Ihnen einen Gefallen zu tun. Es wird nicht länger
dauern als fünf Minuten.“
    „Was
meinst du, Julian?“, fragte Betty.
    „Ist
okay“, sagte ich. „Auch wenn ich keine Ahnung hab, was hier eigentlich läuft.“
    Betty
ging ins Haus. 
    „Ich
will gleich zur Sache kommen“, begann Kullik ernst. „Es gibt Menschen, die sich
die Frage stellen, ob es Ihrer weiteren Entwicklung förderlich ist, wenn sie
auch in Zukunft bei Ihrer Tante Bettina leben.“
    „Martha!“,
stieß ich entnervt hervor. Ich hatte nicht gedacht, dass sie tatsächlich so
weit gehen würde. Kullik nickte stumm.
    „Was
wirft Sie uns vor?“, fragte ich ganz direkt.
    „Ihnen
persönlich eher nichts“, sagte er und blätterte in seiner Akte. „Sie sind mehr
das ... Opfer.“
    „Wie
bitte? Sehe ich vielleicht aus wie ein Opfer?“
    Kullik
überhörte meine Frage.
    „Die
eigentlichen Vorwürfe richten sich gegen Ihre Tante“, sagte er.
„Vernachlässigung, soziale Verwahrlosung, asozialer Lebenswandel ...“
    „Was
soll das denn heißen?“, fuhr ich dazwischen. „Asozialer Lebenswandel! Darunter
kann ich mir nichts vorstellen.“
    Kullik
grinste.
    „Ich
in diesem Fall auch nicht so recht“, sagte er. „Aber Ihre Tante Martha meint
damit häufig wechselnde Männerbekanntschaften.“    
    „Und
selbst wenn, was hat das mit mir zu tun ?“
    „Ich
glaube nicht“, sagte er und beugte sich zu mir vor, „dass ich Ihnen das
wirklich erklären muss. Und dass man solche Dinge verschieden sehen und
beurteilen kann, ist Ihnen sicher auch klar. Oder?“
    „Na
ja“, gab ich kleinlaut zu.
    „Sehen
Sie“, meinte Kullik. „Dann lassen Sie uns jetzt nicht um Dinge streiten, die
uns ohnehin nicht weiterführen. Ich habe den Eindruck, dass Sie nicht auf den
Kopf gefallen sind. Also lassen Sie uns Klartext reden.“
    Ich
spürte, dass er es ernst meinte. Der Typ schien in Ordnung.
    „Okay“,
sagte ich. „Fangen Sie an.“
    „Gut“,
sagte er und wurde plötzlich nervös, „Ihre Tante ... wie heißt sie gleich ...
Martha Dädlow … behauptet, also, sie unterstellt Ihnen beziehungsweise Ihrer
Tante Bettina beziehungsweise Ihnen beiden, also, sie unterstellt Ihnen eine
...sagen wir ... nennen wir es ... inzestuöse Beziehung. Jedenfalls hört es
sich zwischen den Zeilen so an, direkt spricht sie es nicht aus, aber es fehlt
auch nicht viel.“
    Das
war es also! Mein Mund war auf einmal ganz trocken. Ich fühlte mich wie
gelähmt. Zwar sagte Kullik, dass er Martha nicht glaube, aber er meinte auch,
dass nun Vorsicht geboten wäre. Ich hatte keine Ahnung, was das heißen sollte,
traute mich aber auch nicht nachzufragen. Meine Hand war schweißnass, als ich
sie ihm zum Abschied hinstreckte.
     
    Seit
der Nacht, in der ich ihn hinter Deans Fensterscheibe gesehen hatte, war Henry
wie vom Erdboden verschluckt. Und das lag nun schon über eine Woche zurück. In
der Schule wurde gesagt, er sei krank. Bei der Frage, um was für eine Krankheit
es sich handelte, guckten alle mich an, schließlich war ich Henrys Freund und
hätte es wissen müssen. Aber ich wusste nichts von irgendeiner Krankheit.
    „Fragt
doch mal Dean“, fragte ich, aber keiner verstand mich. In der Pause nahm mich
Höfer, unser Klassenlehrer, beiseite.
    „Henrys
Mutter hat ihn zwar krank gemeldet“, sagte er, „aber etwas Genaues hat sie
nicht erzählt. Und da diese Krankheit mittlerweile nun schon so lange ... Sie
wissen da wirklich nichts?“
    Ich
verneinte, aber die Sache war mir nicht geheuer. Dass ich noch immer Henrys
Videokamera hatte, war ein guter Vorwand, mal bei ihm vorbeizuschauen.
    Bemerkenswert
war auch, dass Ulla mir seit jener Nacht total aus dem Weg ging. Außerhalb der
Schulstunden sah ich sie nur noch in der Nähe von Dean und seinen Leuten. Und
da sie dann jedes Mal tat, als würde sie mich nicht sehen, behandelte auch ich
sie wie Luft.
    Noch
extremer hatte sich die Situation zwischen Luisa und mir entwickelt. Die
Spannungen zwischen uns waren so stark, dass man sie fast mit Händen greifen
konnte. Ich wusste nicht genau, warum, aber wir taten beide so, als seien wir
nie zusammen gewesen.   
    Trotz
ihrer Ankündigung schien sie aber auch nicht wieder bei Dean zu sein. Wenn

Weitere Kostenlose Bücher