Sommerträume in Marbella
nervös ausmalte, Julia diese drei kleinen Worte zuzuflüstern, sie aber noch immer nicht ausgesprochen hatte.
Nein. Er würde genau bei dem bleiben, was er seiner Mutter vor all den Jahren erklärt hatte.
„Julia ist die perfekte Ehefrau für mich.“ Perfekt in jeder Hinsicht, aber besonders wegen der Freude, die sie in sein Leben gebracht hatte, und wegen seiner Liebe zu ihr.
Draußen, in der Ecke neben der Terrassentür, kämpfte Julia mit ihren Gefühlen. Die Enthüllungen seiner Mutter hatten sie schockiert und verletzt, aber vielleicht hatte sie mehr von Silas’ Sachlichkeit in sich, als ihr bewusst gewesen war. Entweder das, oder seine Einstellung fing an, ihr eigenes Denken zu verändern. Weil sie ehrlicherweise zugeben musste, dass er ihr noch nie gesagt hatte, dass er sie liebte. Ganz selbstverständlich war sie einfach davon ausgegangen – wegen ihrer Gefühle für ihn und weil ihr überhaupt nicht in den Sinn gekommen war, dass er sie aus einem anderen Grund heiraten könnte.
Jetzt sah Julia ein, dass sie hoffnungslos naiv gewesen war. Und was sollte sie tun? Ausrasten und damit herausplatzen, dass sie ihn liebte? Die Scheidung verlangen, weil er sie nicht liebte?
Aber musste Liebe denn immer das ganze sichtbare romantische Drumherum mit Herzen und Blumen sein? Konnte Liebe nicht auch etwas anderes sein? Vielleicht … wenn ein praktisch denkender Mann seine Frau beschützte? Wenn derselbe Mann gewissenhaft ihre und die Zukunft der gemeinsamen Kinder absicherte? Und wenn er der sexuellen Befriedigung in ihrer Beziehung einen hohen Stellenwert einräumte? Waren diese Dinge nicht auch eine Form von Liebe? Oder machte sie sich etwas vor? Vertrauen und Ehrlichkeit sollten das Fundament ihrer Ehe sein, hatte Silas zu ihr gesagt. Julia wusste, dass sie ihm vertrauen konnte. Aber konnte sie auch seine schonungslose Ehrlichkeit akzeptieren?
„Mich interessiert im Moment nicht, wie perfekt Julia als deine Ehefrau sein wird, sondern wie glücklich du sie machen wirst, Silas. Ich werde auf sie warten und mich vergewissern, dass du das arme Mädchen nicht irgendwie gedrängt hast, sich mit dir zu verloben …“
Nach einem tiefen Atemzug betrat Julia das Zimmer. „Tut mir Leid, ich habe gelauscht. Ich bin vor ein paar Minuten zurückgekommen und wollte euer Gespräch nicht unterbrechen …“ War ihr Lächeln richtig? Ruhig, heiter, genau wie das einer Frau, die den Mann akzeptierte, der sie aus rein praktischen Gründen geheiratet hatte? „Ich möchte klarstellen, dass ich es sehr vernünftig finde, was Silas gesagt hat. Ehrlich gesagt, teile ich seine Ansichten. Ich denke, wir haben mehr als genug gemeinsam, um eine sehr gute Ehe zu führen.“
„Aber du liebst ihn nicht?“, wollte Silas’ Mutter von ihr wissen.
„Liebe ist für eine gute Ehe nicht unbedingt erforderlich“, erwiderte Julia schnell, um nicht lügen zu müssen.
Bisher hatte Silas geschwiegen, und sie bemerkte überrascht, dass er sie ansah, als wäre er unangenehm berührt. Spontan nahm sie seine Hand. „Silas, ich denke, deine Mutter sollte die Wahrheit erfahren.“
Die Wahrheit? Wusste Julia, dass er sie liebte?
„Die Wahrheit?“, fragte jetzt auch seine Mutter überrascht.
„Ja. Wir sind schon verheiratet“, sagte Julia ruhig zu ihrer Schwiegermutter, die sofort argwöhnisch auf ihren Bauch blickte. „Nein, dein Sohn musste mich nicht heiraten!“, stieß sie empört hervor.
Die Ironie des Ganzen ließ Silas loslachen. Erst befürchtete seine Mutter, er habe Julia aus rein sachlichen Gründen zur Verlobung gedrängt, dann vermutete sie, Julia wäre schwanger und sie hätten deshalb so überstürzt geheiratet. Aber die Wahrheit würde seine Mutter wahrscheinlich niemals erraten: Auch wenn er sich dessen damals noch nicht bewusst gewesen war, hatte er Julia geheiratet, weil er sie ganz einfach liebte.
„Anstatt zu lachen, hättest du mich ruhig ein bisschen unterstützen können, als ich deiner Mutter gesagt habe, dass du mich nicht heiraten musstest“, beschwerte sich Julia später, während ihr Silas in der Küche der Villa eine Tasse Tee einschenkte.
Vor einer Stunde hatten sie Silas’ Mutter am Flughafen verabschiedet, und inzwischen war Julia todmüde.
„Ich hatte einen Schock“, erwiderte Silas trocken.
„Du?“
„Mir war nicht klar, dass du so praktisch denkst.“
Sie wusste sofort, was er meinte. „Tja, ich konnte deiner Mutter wohl kaum erzählen, dass ich dich heiraten will, weil ich noch nie
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