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Somniferus

Somniferus

Titel: Somniferus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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der Bus die Höhe; der Wald wich zu
beiden Seiten zurück und machte Feldern Platz, über die
sich links in einiger Entfernung der Mosenberg erhob, dessen
charakteristischen Kraterkegel ich sofort wiedererkannte. In der
Ferne waren schon die ersten Häuser von Manderscheid zu sehen,
einem der vielen Orte auf der Strecke nach Daun.
    Verwundert stellte ich fest, dass es für mich fast wie eine
Heimkehr war. Wie eine Heimkehr aus der Verbannung. Ich war als Kind
und Jugendlicher nicht oft in Manderscheid gewesen, doch die
Erzählungen meiner hier geborenen und aufgewachsenen Mutter
waren für mich noch immer wirklicher, als es eigene Erinnerungen
hätten sein können.
    Der Bus streifte den Ort nur. Ich sah, dass man am Ceresplatz
einen Kreisverkehr angelegt hatte, um den sich das lange Gefährt
mühsam herumwand, um dahinter nach links in die bergauf
führende Dauner Straße einzubiegen und kurz darauf an dem
kleinen Wartehäuschen anzuhalten, neben dem zwei ältere
Frauen standen. Die vordere Tür des Busses glitt zischend zur
Seite, die Frauen stiegen ein und wechselten mit dem Fahrer ein paar
Worte in Eifeler Platt. Obwohl ich nichts davon verstand, empfand ich
ein Glücksgefühl, das mich verwirrte.
    Heimat ist kein Ort, sondern ein Gefühl.
    Bald hatte der Bus wieder die Hochfläche erreicht, von der
ich als Kind so gern in die Richtung des Liesertales hinabgerodelt
war, wenn wir im Winter auf einige Tage zu Besuch bei Onkel Jakob
waren. Er hatte mir dann immer den alten Schlitten geliehen, der das
ganze Jahr über in der Scheune neben seinem Haus an der Wand
hing, aber nicht ohne mir einzuschärfen, dass ich vorsichtig mit
diesem alten Museumsstück umgehen sollte; wenn er zu Bruch gehe,
würde ich dafür in der Hölle schmoren. So, wie er das
sagte, glaubte ich es ihm aufs Wort. Daher waren meine Rodelpartien
stets mit einer gehörigen Portion Angst durchsetzt gewesen.
    Bleckhausen, Üdersdorf, dann hinunter nach Weiersbach. Und
immer wieder der Gedanke an das, was mich erwarten mochte. Geld, ein
sorgenfreies Leben? Oder etwas völlig anderes, Unvorhersehbares?
Je näher der Bus Daun kam, desto nervöser wurde ich.
    Im Ortszentrum von Daun stieg ich aus, gleich neben der Post. Ich
hatte keine Ahnung, wo die Abt-Richard-Straße war; also fragte
ich den erstbesten Passanten, der in seiner Bundhose und seinem
karierten Hemd wie ein Einheimischer aussah. Zu meiner
Enttäuschung handelte es sich jedoch um einen ortsunkundigen
Kölner Wanderfreund.
    Erst beim dritten Versuch geriet ich an einen Dauner, der eher wie
ein großstädtischer Versicherungsagent wirkte. Er
erklärte mir, dass ich bereits in der Abt-Richard-Straße
sei und die Nummer 12 sich etwas weiter bergauf befinde, noch hinter
dem Fernsehgeschäft. Bald stand ich vor dem zweistöckigen,
weiß getünchten Haus, neben dessen Tür ein frisch
geputztes Messingschild mit folgender Aufschrift hing:
    Heinrich Harder
Notar
Termine nach Absprache
    Ich hatte mein Ziel erreicht. Zumindest glaubte ich das
damals.

 
2. Kapitel
     
     
    Die Sekretärin wusste sofort, worum es ging. Sie bat mich,
einen Augenblick im Vorzimmer zu warten, bot mir einen komfortablen
Sessel an und widmete sich wieder ihrer Arbeit. Ich beobachtete sie
verstohlen. Sie war unbestreitbar hübsch. Ob sie naturblond war?
Einmal sah sie auf und unsere Blicke kreuzten sich. Sofort brannte
auf meinen Wangen ein mir nur zu gut bekanntes Feuer. Angestrengt
betrachtete ich meine nicht mehr ganz sauberen Fingernägel. Dann
öffnete sich die Tür rechts neben dem Schreibtisch der
Sekretärin und ein mittelgroßer Mann um die fünfzig
kam mit ausgestreckter Hand auf mich zu. Er trug einen dunkelblauen
Zweireiher mit Nadelstreifen, die dasselbe Silbergrau wie sein glatt
nach hinten gekämmtes, volles Haar hatten.
    Mit einer dunklen, angenehmen Stimme sagte er: »Sie sind Ralf
Weiler? Es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, auch wenn der
Anlass leider nicht sehr erfreulich ist.«
    Ich stand auf und ergriff seine ausgestreckte Hand. Sie war kalt,
der Händedruck fest.
    »Kommen Sie bitte mit in mein Büro.« Er ließ
mir den Vortritt und schloss die Tür hinter uns. Dann wies er
auf einen Sesselkubus, der unmittelbar vor dem schwarzen, polierten
Schreibtisch stand. »Bitte setzen Sie sich.«
    Ich folgte seiner Aufforderung und warf einen kurzen Blick in die
Runde, während sich der Notar hinter seinem Schreibtisch
niederließ.
    Alles hier atmete Gediegenheit und Geld, allerdings ohne protzig
zu

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