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Somniferus

Somniferus

Titel: Somniferus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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ohne es zu wissen.«
    Das alles ging uns nichts mehr an. Wir waren sehr müde. Ich
sagte, nun schlafen gehen zu wollen.
    Onkel Jakob sah mich scharf an. »Bist du mit diesem
Mädchen verheiratet?«, fragte er mich.
    Ich verstand nicht. Verwirrt schüttelte ich den Kopf.
»Wage es nicht, Albert, sie im selben Zimmer
unterzubringen«, zischte er. »So etwas dulde ich nicht.
Nicht in meiner Gegenwart.«
    Wenn er nicht eine so teufelhafte Grimasse gezogen hätte,
wäre mir wohl eine vernichtende Bemerkung herausgerutscht. Er
betete blutgierige Götter an und duldete es nicht, wenn ein
unverheiratetes Paar im selben Zimmer schläft. Das war einfach
zu lächerlich. Selbst wenn ich nicht so müde und vom vielen
Wein benebelt gewesen wäre, hätte ich wohl kaum begriffen,
dass er einen völlig anderen Grund für seinen Befehl hatte.
Es ging ihm nicht um Keuschheit; es ging ihm nur um seine
wahnsinnigen Pläne.

 
23. Kapitel
     
     
    Hanisch brachte erst Lisa auf ihr Zimmer und holte mich dann im
grünen Salon ab, um auch mich einzuquartieren. Bis zu seiner
Ankunft hatte Onkel Jakob kein Wort mehr mit mir geredet. Ein
widerwärtiges Grinsen war auf seinem Gesicht festgefroren. Ich
war froh, als ich mich aus seiner Gegenwart entfernen konnte.
    Das Zimmer, das ich erhielt, war genauso moderig wie jenes, in das
uns der Schlossherr bei unserer Ankunft geleitet hatte. Er
wünschte mir eine gute Nacht und dann hörte ich, wie der
Schlüssel in der Tür von außen umgedreht wurde. Ich
sprang zu Tür, rüttelte an ihr – sie war versperrt. Er
hatte mich eingeschlossen.
    Ich machte mir Sorgen um Lisa. Es gefiel mir gar nicht, dass wir
in dieser Nacht getrennt sein sollten. Ich glaubte noch immer, dass
wir diese Behandlung Onkel Jakobs antiquiertem
Sittlichkeitsverständnis zu verdanken hatten.
    Ich fiel in einen bleiernen Schlaf, den ich dem vielen Alkohol
zuschrieb. Ich war ins Bett gefallen, ohne mich auszuziehen, ja sogar
ohne mir die Schuhe abzustreifen. Ich weiß noch, dass mir
übel und schwindlig geworden war; das Bett schien sich zu
drehen, nein, das ganze Zimmer, die ganze Welt. Dann tauchte ich in
etwas ein, das sich klebrig und zäh anfühlte. Ich wusste,
dass es ein Traum war, aber gleichzeitig war es auch wieder kein
Traum. Ich hörte Stimmengemurmel, das vom Hall entsetzlich
verzerrt wurde, so als befände ich mich in einer großen
Höhle. Ich sah Lisa, die einer vermummten Gestalt entgegenging;
sie schwenkte die Hüften wie in perverser Vorfreude. Die
vermummte Gestalt wurde immer größer; sie wuchs bis unter
die Decke der Höhle; das Gewebe, das sie umgeben hatte, riss mit
einem seltsam nassen Geräusch und ich sah, dass es kein Mantel,
kein Stoff gewesen war, sondern ein Kokon.
    Ich hörte Schritte, Klappern, Stimmen, jetzt waren sie
gedämpft. Ich sah mich um. Niemand war in dieser
grässlichen Höhle zu sehen, die mich an die Innereien eines
Riesen erinnerte. Dann wurde ich plötzlich in die Luft gehoben.
Ich schwebte auf halber Höhe in dem riesigen Raum. Die feucht
glitzernden Wände schwankten langsam an mir vorbei, als ich
durch die Luft glitt. Dann sank ich nach unten, doch auch die
Höhle schien mit mir zu sinken.
    Schließlich wurden mir die Arme nach hinten gezerrt und
gefesselt. Dann hörte ich ein eisernes Klicken. Ich machte einen
Schritt nach vorn – und wurde wieder zurückgerissen. Nun
drang ganz leise eine Stimme zu mir. Eine Frauenstimme. Irgendetwas
in meinem Traum sagte mir, dass ich sie kannte, aber ich konnte sie
nicht einordnen; sie war zu schwach. Sie schien unablässig
dasselbe Wort zu flüstern.
    In der Mitte der Höhle erhob sich ein lauer Wind.
Gleichzeitig zuckten undeutliche Flammen auf. Der Wind wurde
stärker, wurde zu einem Orkan und ein erstickender Modergeruch
traf mich. Ich sackte zusammen und schlug auf dem harten Steinboden
auf. Die Fessel hielt meine Hände hinter dem Rücken fest
verankert. Der Schmerz, der deswegen durch meine Schulter stach,
bewirkte, dass der Sturm noch heftiger und die Stimme endlich lauter
wurde. Jetzt verstand ich das Wort. »Ralf!« War das nicht
ein Name?
    In diesen Namen mischten sich weitere Laute, die von anderen
Stimmen zu stammen schienen. Sie verstand ich nicht.
    Es dauerte ein ganzes Zeitalter, bis ich begriff, dass
»Ralf« mein eigener Name war. Ich schüttelte den Kopf
und versuchte, zu mir zu kommen. Mühsam rappelte ich mich vom
kalten und feuchten Boden hoch. Der Schmerz in der Schulter
ließ etwas nach. Langsam erkannte ich, dass ich

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