Mordsviecher
PROLOG
Diese verdammten Köter. Unnützes kläffendes Gschwerl. Da bringt man ihnen was zu Fressen, und die Viecher beißen einem den halben Arm ab. Sein rechter Arm sah aus wie durch den Fleischwolf gedreht. Eiterte, schmerzte. Alles nur wegen der Köter. Da lobte er sich seine Lieblinge. Stumm und elegant. Vor ein paar Tagen waren neue gekommen. Nachts natürlich. Die deutschen Behörden waren so unflexibel …
Ihre Gegenwart war ein Fest für ihn, das er regelrecht zelebrierte. Er sah sie an. Lange. Er würde umbauen müssen, ja, das würde er als Nächstes tun. Sie waren so schön.
Er nahm die rasche Bewegung kaum wahr. Sie kam aus dem Nichts. Wieder schmerzte sein Arm. Stärker. Anders diesmal. Er riss an dem Verband, der längst schon in Fetzen hing, doch sein linker Arm gehorchte ihm nicht, erlahmte auf einmal. Da ahnte er etwas, wollte loslaufen und sackte im nächsten Raum zusammen. Dachte dabei an einen Boxkampf von Klitschko gegen irgendwen, der – kaum hatte er begonnen – wieder zu Ende gewesen war.
Er mochte Boxen. Boxen war männlich. Kraftvoll und gewaltig. Und es ging ums Bluffen, um große Worte und große Gesten. Es ging darum, sich nicht in die Karten schauen zu lassen. Das hatte auch er immer vermieden. Er hatte die Karten in der Hand behalten, das Ass stets im Ärmel gehabt. Die Welt war so leicht zu manipulieren. Die Menschen waren so gutgläubig. Sie bettelten doch fast darum, betrogen zu werden.
Nun aber war er bewegungslos. Das letzte Ass war ihm abhandengekommen. Er lag am Boden, wie festgenagelt. Aber sein Gehirn gab immer noch Botenstoffe ab. Es dachte. Es fühlte. Es lehnte sich auf. Angst und Panik fluteten ein. Er hätte schreien wollen, aber kein Laut kam aus seiner Kehle. Er starrte zu den Heizungsrohren an der Decke und hörte die Kläffer da drüben. Deutlich hörte er sie. Gefangen in seinem Körper.
Die Brust wurde ihm eng, ein gewaltiger Felsbrocken schien sich auf ihn zu wälzen. Dann sah er ein Augenpaar, und er wusste alles. So zu verlieren. Gegen so einen Gegner. Er wusste, dass es noch dauern würde. Nicht sehr lange, und doch eine grauenvolle Ewigkeit.
Bis das Ende kam.
Das gnädige Ende.
1
Andrea war nahe dran gewesen, das Foto wegzuwerfen. Kathi konnte aber auch ätzend sein. »Hanni und Andreanni!«, hatte sie gerufen. »Dick und Dalli und die Ponys!« Dabei hatte sie sie provozierend angesehen und offen gelassen, in welcher Rolle bei den »Mädels vom Immenhof« sie Andrea sah.
Diese hatte sich vorgenommen, Kathis Attacken zu ignorieren. War sie wirklich ein kindisches Ponymädel, bloß weil sie ein Bild ihres Pferdes auf dem Schreibtisch stehen hatte? Keinen Mann, keinen Lover, keine Kinder.
Natürlich hätte sie kontern können und sollen: »Besser ein netter Gaul als deine ständig wechselnden Lover. So schnell kannst du die Bilder ja gar nicht austauschen.« Das wäre gut gewesen, aber die guten Sachen fielen ihr nie ein, wenn die schlanke Kathi sich vor ihr aufbaute.
Sie hätte auch sagen können: »Wie praktisch, dass du ein Foto deiner Tochter aufgestellt hast, da siehst du sie wenigstens ab und zu mal. Die kennt ihre Mutter doch eh kaum, sondern bloß die Oma.« So eine Bemerkung hätte Kathi getroffen, denn das war ihre verwundbare Stelle: Sie hatte nie Zeit für ihre Tochter Sophia. Das wäre richtig fies gewesen, aber Andrea war nicht fies.
Letztlich hatte sie das Bild von Moritz, dem braunen süddeutschen Kaltblut, dann doch stehen lassen und empfand das als Sieg. Als Sieg über Kathis Ätzereien.
Während Andrea sinnierend vor dem Foto saß, kam ihr Kollege Sailer zur Tür herein.
»Andrea, mir müssen.«
»Was müssen wir?«
»Raus.«
»Raus wohin?«
»Die Frau Irmengard und die Kathi san ja auf Weilheim zu einer Besprechung. Und sonst is auch keiner verfügbar außer unsereinem.«
Zwei weitere Kollegen waren zu einem Nachbarschaftsstreit unterwegs, bei dem es seit Monaten um einen renitenten Gockel ging, zwei andere waren auf Fortbildung.
»Und wohin sollen wir, Sailer?«
»Zu dem Gebelle.«
»Hä?«
»Da, wo die Hund immer bellen wie verruckt.«
Sailer war der Meister kryptischer Reden, der Erfinder der Minimalkonversation. Das waren keine Würmer, die man ihm aus der Nase ziehen musste, sondern richtige Kaventsmänner, so dick wie Aale.
Diesmal wusste Andrea allerdings, worauf Sailer anspielte. Vor einigen Wochen hatten sie Beschwerden von Anwohnern und Spaziergängern bekommen, weil auf einem Anwesen in relativer
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