Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
Eimer Wasser mit einer Alge über ihm aus, noch bevor er ausweichen konnte.
»Hey! Was zum Teufel …?«
»Was hast du hier verloren?«, zischte sie. »Du schläfst auf unserem Grund.«
»Euer Grund?« Tarabas wischte sich die Algenreste von der Stirn und sah an ihr vorbei zum Weiher. Die Meerjungfrau stützte sich mit den Ellbogen auf dem Ufer ab und schien von der Szenerie belustigt.
»Das soll euer Grund sein? Und wieso sagst du bei ihr nichts?«
»Scher dich fort!«
Ihrem Aussehen war nicht anzusehen, dass die Hexe eine Abandonierin war. Ihrem Wesen war es aber anzumerken. Eine in Haut gepresste Giftschlange von der Sorte, die gestern von Waldipert verspeist worden war. Sie wandte sich ab und er sah ihr nach. So eine Zicke, dachte er und versuchte, das warme Gefühl im Bauch zu ignorieren. Ihre Augen hatten es ihm bedauerlicherweise angetan. Er stand auf und wrang seinen Kinnbart und die Tunika aus. »Wer war denn das?«, fragte er die Meerjungfrau.
»Das ist die Tochter der Kräuterhexe.«
»Und ihr Name? Giftschlange?« Er sah ihr nach, wie der Eimer gegen ihre Beine schlenkerte auf dem Weg zu einem Haus, das von Wurzeln umwachsen war. Daneben war ein Rosenfeld zur Hälfte irgendwelchen Flammen zum Opfer gefallen.
»Sie heißt Rodelinda.«
»Rodelinda«, wiederholte er leise den Namen.
»Die scheint es dir angetan zu haben«, stellte die Meerjungfrau fest, und als sich Tarabas ertappt fühlte, spürte er, dass er sich ihr anvertrauen könnte. Er ekelte sich auch nicht mehr wirklich vor ihr, überraschenderweise. Doch woher wusste sie so viel? Schließlich hatte er sie doch erst gestern Nacht mit den Aphrodisiakum-Nebenwirkungen in dieses Land befördert. Oder war auch sie verstoßen worden? Bevor er sie fragen konnte, war sie abgetaucht.
Auf dem Weg zur Barackensiedlung ging ihm Rodelinda nicht mehr aus dem Kopf. Wie sie über ihn gebeugt stand, noch bevor sie den Eimer Wasser mit der Alge über ihn ergoss, wie die Sonne ihr rotes Haar zum Leuchten brachte und ihre Stimme sein Herz zum Beben.
***
Am Tag wirkte die Siedlung weit weniger bedrohlich. Die Baracken sahen aus wie knorrige Bären, die es sich auf den dutzendfach herumliegenden Felsbrocken gemütlich gemacht hatten. Der Bär mit dem Blumengehänge schien zu schnarchen, Waldiperts Baracke, und auf der Feuerstelle lag der Mondmann auf einem verkohlten Holzstück, neben sich den abgebissenen Schlangenkopf. Mit seinem Atem wirbelte er Ruß umher. Vereinzelt noch der Klagelaut eines hungernden Vogels, ansonsten lag Stille über der Gegend.
»Vincent?«, rief Tarabas verhalten und schlich die Baracken entlang. »Vincent?«
Auf einem Fensterbrett sah er eine Glasröhre stehen und daneben lagen ein geteilter Regenwurm sowie eine abgebrannte Selbstgedrehte. Ein reibendes Geräusch war darunter zu hören, und tatsächlich entdeckte Tarabas am Felsbrocken eine Elfe, die es sich in einem Riss gemütlich gemacht hatte. Sie rieb ihre blasshäutigen Zehen, die teilweise gerötet waren. »Diese verdammten Schwammerl«, knurrte sie, dann hielt sie inne und schaute auf. »Morgenteliche Pflege!«
»Du bist ja süß«, sagte Tarabas. »Wer bist du?«
»Ein Gestoßener wie du.« Sie widmete sich wieder dem Fußpilz.
»Ja«, erwiderte Tarabas und musste schmunzeln. »Das merkt man dir auch an, dass man dich gestoßenen hat.«
»Hey!«, zischte sie, unterbrach das Zehenreiben und warf ihm einen giftigen Blick zu. »Du bist gleicher Arsch wie Zwergel.«
»Zwergel?«
»Ja. Diese Ungeburt von einem Misthaufen. Völlig dada«, sie tippte an ihre Schläfe. »Hier drin. Ein hirngekohltes ...«
»Ich suche meinen Freund Vincent«, unterbrach er ihren Redeschwall.
»Wenn der wie eine Katze maunzt«, sie deutete auf die übernächste Baracke, »dann schläft er dort.«
Sie murmelte das letzte Wort nur, weil sie etwas erspäht hatte. »Wer ist das?« Augenscheinlich meinte sie den Mondmann, der sich auf den Holzscheiten von einer Seite auf die andere wälzte. Ohne eine Antwort abzuwarten, drückte sie sich aus dem Riss und flatterte dorthin.
Erst nahm sie den abgebissenen Schlangenkopf unter die Lupe, dann kitzelte sie mit ihren Fußpilzzehen die Nase von Mondi. Der versuchte, diese im Schlaf wie nervige Mücken von sich zu wedeln.
Die Elfe erinnerte an Rodelinda, dachte Tarabas und blieb im Schatten einer Baracke stehen.
»Aufwecken! Hörst du schlecht? Aufwecken!«
Doch der Mondmann wirbelte nur weiter mit dem Atem Ruß von sich. Also
Weitere Kostenlose Bücher