Sonea - Die Hueterin
noch >rauspicken<. Das ist die Sprache der Hüttenviertel vergangener Zeiten.«
»Ich bin ein altmodischer Mann.« Sie bogen in eine breitere Straße ein, die voller Wagen, Menschen und Lärm war. Er senkte die Stimme. »Nur damit du Bescheid weißt, der Grund für das heutige Treffen besteht darin, die Person zu finden, vor der du dich versteckt hast.«
Anyi, die sich auf der Straße umgeschaut hatte, hielt inne, um ihn anzusehen. »Ich schätze, das ist ein guter Grund. Darf ich zuschauen, wenn du ihn tötest?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil ich sie nicht töten werde. Ich bezweifle, dass ich es könnte, selbst wenn ich es versuchte.«
»Eine Frau. Warum kannst du sie nicht töten?« Sie warf ihm noch einen schnellen Blick zu, diesmal voller Verwirrung.
Er kicherte. »Keine Bange. Ich werde es dir erklären, wenn der rechte Zeitpunkt kommt.«
Ich wette, Regin wünscht, er wäre hier,
dachte Sonea, als die junge Heilerin an die Stirnseite der Gildehalle geleitet wurde. Die Frau war keine von den Heilerinnen, die in den Hospitälern arbeiteten, daher kannte Sonea sie nicht gut. Vinara hatte berichtet, dass sie aus einem der weniger mächtigen Häuser der Stadt stammte - eine jüngere Tochter, die man in die Gilde geschickt hatte, damit sie der Familie zu höherem Ansehen und zu kostenlosen Heilungen verhalf.
Die Heilerin war belauscht worden, wie sie berichtete, dass sie Magie für einen Schmuggler benutzt hätte, und als die Information weitergeleitet worden war, hatten die Höheren Magier sie zu einer Anhörung bestellt. Die Gerüchte behaupteten, bei dem Schmuggler hätte es sich um ihren Vetter gehandelt. Es war das erste Mal, dass jemand angeklagt wurde, weil er gegen die neue Regel verstoßen hatte, die es Magiern untersagte, für Verbrecher zu arbeiten.
Es dürfte interessant werden zu sehen, wie die Höheren Magier damit umgehen. Regin wird es gewiss in den Fingern jucken zu erfahren, was entschieden wird. Ich vermute, dass er mir heute Abend einen Besuch abstatten wird, um die Einzelheiten zu hören.
Sie stellte fest, dass die Aussicht auf seinen Besuch ihr nicht allzu sehr zu schaffen machte. Obwohl sie sich in Regins Gesellschaft niemals ganz entspannen konnte, schien er ehrlich besorgt zu sein wegen der neuen Regel und ihrer Auswirkung auf das Wohlergehen von Magiern. Und er war natürlich erpicht darauf, mehr über die wilde Magierin zu erfahren. Aber er ritt nicht darauf herum, wie einige Magier es vielleicht getan hätten, und er blieb niemals länger, als er willkommen war.
Weil er ein Mann ist, der lieber zur Tat schreiten würde, als sich in Gejammer zu verlieren.
Sie verharrte überrascht. Hatte sie gerade etwas Bewundernswertes an Regins Charakter entdeckt? Gewiss nicht.
Über die wilde Magierin hatte es keine Neuigkeiten gegeben. In den meisten Nächten arbeitete Sonea im selben Hospital auf der Nordseite, da sie wusste, dass ein Bote von Cery sie dort am einfachsten würde finden können. Aber seit er sie persönlich aufgesucht hatte, um ihr mitzuteilen, dass er sich die Hilfe eines anderen Diebes gesichert habe, hatte es keine Nachrichten von ihm gegeben.
Unter ihr wandte Administrator Osen sich den Höheren Magiern zu.
»Lady Talie wird angeklagt, die neue Regel gebrochen zu haben, nach der es einem Magier verboten ist, Anteil zu haben an verbrecherischem Tun oder davon zu profitieren«, begann er. »Wir müssen entscheiden, ob dies der Wahrheit entspricht und wenn ja, wie sie bestraft werden soll.« Er wandte sich zwei Magiern zu, die an einer Seite des Raums standen. »Ich rufe Lord Jawen als Zeugen auf.«
Einer der beiden, ein Heiler in mittleren Jahren, trat vor. Er runzelte die Stirn, und sein Bemühen, Lady Talie nicht anzusehen, machte offenbar, dass es ihm Unbehagen bereitete, die Stimme gegen sie zu erheben.
»Erzählt uns bitte, was Ihr gehört habt«, forderte Osen den Mann auf.
Der Heiler nickte. »Eines Abends vor einigen Tagen holte ich Heilmittel aus einem Lagerraum, als ich im hinteren Teil des Raums Stimmen hörte. Eine der Stimmen gehörte Lady Talie. Ich hörte sie ziemlich deutlich sagen, dass das, was sich in einigen Kisten befände, illegal sei. Nun, das erregte meine Aufmerksamkeit, und ich hielt inne, um zu lauschen. Sie sagte ferner, dass sie nicht wissen wolle, was sich in diesen Kisten befände. Dass sie sie transportiert und einen Mann geheilt habe, bevor sie nach Hause ging.« Die Falte zwischen seinen Brauen vertiefte sich. »Und dass
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