Sonea - Die Hueterin
hat nur getan, was alle Heiler tun sollten. Dafür sollte sie nicht bestraft werden.«
»Sie wurde nicht bezahlt«, ergänzte Garrel. »Sie hat nicht davon profitiert. Ich sehe hier kein Unrecht.«
»Die Regel verbietet eine Beteiligung an kriminellen Taten ebenso wie den Profit daraus«, bemerkte Vinara. »Aber ich gebe Euch recht. Das Umsetzen einer Kiste kann man kaum als Beteiligung an einem Verbrechen bezeichnen.«
»Trotzdem sollten wir Magier nicht ermutigen, sich mit solchen Leuten einzulassen«, sagte Lord Peakin.
»Was, wie wir jüngst festgestellt haben, zu schwierig ist, um es zu erzwingen, und anscheinend ungerecht gegenüber einigen Mitgliedern der Gilde«, rief Garrel ihm ins Gedächtnis.
»Hat sie offenkundig eine Regel gebrochen?«, fragte Osen.
Keiner der Magier antwortete.
»Glaubt irgendjemand, dass sie bestraft werden sollte?«
Wieder meldete sich keiner der Magier zu Wort. Osen nickte. »Dann werde ich, sofern niemand mir widerspricht, erklären, dass sie gegen keine Regel verstoßen hat. Ich werde außerdem bekannt geben, dass Lord Jawen sich richtig verhalten hat, indem er das Gehörte meldete, und feststellen, dass Prüfungen der neuen Regel sinnvoll sind und ermutigt werden sollen. Wir wollen nicht, dass irgendjemand die heutige Entscheidung als Hinweis darauf deutet, dass Gefälligkeiten für zwielichtige Charaktere immer übersehen werden.«
»Denkt Ihr, Lady Talie würde diesen Mann für die Wache identifizieren und seine Geschäfte bestätigen?«, fragte Rothen, an Lady Vinara gewandt.
»Ich könnte mir vorstellen, dass ihr das widerstreben würde«, antwortete Vinara. »Wenn er genug Einfluss hatte, um sie dazu zu zwingen, dieses Lager zu betreten, dann hat er vielleicht auch genug Einfluss, um sie daran zu hindern, die Stimme gegen ihn zu erheben. Ich werde sie fragen, aber nur wenn die Wache ihrer Hilfe tatsächlich bedarf.«
»Sollte sie sich dazu bereitfinden und eine Verurteilung erzielt werden, wird das Verbrechern zur Abschreckung dienen, sich Magier zunutze zu machen«, sagte Osen. Er rief die junge Heilerin wieder herein und teilte ihr die Entscheidung mit. Sie wirkte erleichtert.
Und vielleicht ein wenig verärgert, dass sie dies über sich ergehen lassen musste,
bemerkte Sonea. Osen erklärte die Versammlung für beendet, und die Höheren Magier schickten sich an, die Halle zu verlassen. Als sie von ihrem Platz herabgestiegen war, wartete Rothen auf sie.
»Was denkst du?«, murmelte er ihr zu.
»Ich denke, die neue Regel wird wirkungslos sein, was den Versuch betrifft, Magier und Verbrecher voneinander fernzuhalten«, erwiderte sie.
»Aber in der Vergangenheit wäre jemand von ihrem Rang niemals angezeigt worden, nicht einmal dann, wenn ihre Tat offensichtlich unrecht gewesen wäre.«
»Nein, aber nichts wird verhindern, dass diese Art von Vorurteilen zurückkehrt, während die Magier die Einschränkungen der neuen Regel begreifen. Ich werde erst dann davon überzeugt sein, dass es eine Verbesserung ist, wenn die Schikanen, denen Magier von niederer Herkunft ausgesetzt sind, nachlassen.«
»Denkst du, sie hätte dem Verletzten geholfen, wenn es keinen Anreiz gegeben hätte, dem Mann zu Gefallen zu sein, der sie darum gebeten hat?«
Sonea dachte über die Frage nach. »Ja, wenn auch nicht ohne eine gewisse Geringschätzung.«
Er lachte leise. »Nun, das ist jedenfalls eine Verbesserung gegenüber der Vergangenheit. Dank deiner Hospitäler hält man es nicht länger für akzeptabel, eine Heilung zu verwehren, weil der Patient sie sich nicht leisten kann.«
Sie sah ihn überrascht an. »So sehr haben die Dinge sich verändert? Aber gewiss hat Vinara nicht aufgehört, Geld von Patienten zu verlangen, die zu den Heilerquartieren kommen.«
»Nein.« Er lächelte. »Es ist eher eine Veränderung der Einstellung. Es ist nicht, nun ja,
heilermäßig,
jemanden zu ignorieren, über den man zufällig stolpert und der dringend der Heilung bedarf. Das heißt, wenn der Betreffende verletzt ist oder im Sterben liegt - nicht wenn er einen Kater hat oder den Winterhusten. Es ist so, als sei das Ideal, nach dem ein Heiler jetzt strebt, eine Person mit Vinaras Klugheit und deinem Mitgefühl.«
Sie starrte ihn ungläubig und bestürzt an.
Er lachte. »Ich würde liebend gern das Ende meines Lebens in dem Wissen erreichen, dass ich eine Veränderung zum Guten bewirkt habe, doch trotz all meiner Arbeit glaube ich nicht, dass es dazu kommen wird. Aber jetzt, da ich sehe, wie
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