Songkran
Nummer hat Gun nur einmal gewählt“, ergänzte Veerayooth und reichte das DIN-A4 große Blatt über den Schreibtisch.
„Und warum so kurz?“, murmelte Thanee und griff nach der Telefonliste.
„Ich vermute, er hat die Mailbox dran gehabt und eine kurze Nachricht hinterlassen, vielleicht auch gar keine.“
„Was ist das für ein Reporter?“ Nachdem Thanee die Liste überflogen hatte, warf er das Papier aus dem Handgelenk auf den Schreibtisch und lehnte sich in seinem Sessel zurück.
„Ich werde mich kundig machen, Sir“, antwortete Veerayooth und erhob sich von seinem Stuhl. „Herr Polizeichef, die Khaosan und Lumphini wimmeln von Journalisten. Die Zeit drängt.“
„Veerayooth, halten Sie ihre Männer bereit. Klar?“
„Verstanden Sir!“, antwortete der Polizeimajor, erbot einen lockeren, militärischen Gruß und verließ das Büro.
Die folgenden Stunden verbrachte Thanee zwischen Büro und Cafeteria, die im gleichen Stockwerk untergebracht ist. Die Order an seine Sekretärin, nur die wichtigen Anrufer durchzustellen, verschaffte ihm Ruhe und Zeit zum Nachdenken.
Vier Anrufe tätigte er selbst:
Der erste Anruf fiel ihm am Schwersten und war an Guns Frau adressiert, der er aufrichtig kondolierte.
Das zweite Gespräch führte er mit Mex, der weiterhin eifrig bemüht war, eine Lügengeschichte zu erfinden. Thanee gab Mex bis zum späten Abend Zeit. Dann müsse dieser eine glaubhafte Version parat haben.
Das dritte Telefonat war das wichtigste und galt seinem Freund Suphot, der in seiner Funktion als thailändischer Polizeipräsident ins Kreuzfeuer der Opposition geraten war. Der fünfminutige Film über ein beliebiges Kasino in Bangkok hatte die Ziele seiner Macher nicht verfehlt. Die Großstadtpresse war auf den fahrenden Zug der Entrüstung aufgesprungen. Die Tatsache, dass Thanee die Kasinos hatte schließen lassen, konnte nur wenig Druck aus dem Kessel nehmen. Rücktrittsforderungen wurden laut. Und als Krönung der Affäre Suphot und die Kasinos widerrief der alte General und Vorsitzende des Kronrates seine Einladung zum rod nam dam hua, einer traditionellen Songkran-Zeremonie. Anstatt Suphot sollte Thanee als Repräsentant der thailändischen Polizei dem General seine Aufwartung machen. Kurz sprachen die beiden Polizisten ihre weitere Strategie ab. Dann verabredeten sie sich für den Abend im Séparée.
Um 17 Uhr rief Thanee Veerayooth an, um sich auf den neuesten Stand bringen zu lassen. Die Flucht des Hageren durch die belebte Khaosan war nicht unbemerkt geblieben. Zeugen meldeten sich bei den Ermittlern und berichteten, dass ein Wahnsinniger mitten auf der nächtlichen Khaosan mehrere Passanten umgerannt hatte. Einige Zeugen glaubten, eine Waffe bei dem Verückten gesehen zu haben. Veerayooth ließ Phantombilder anfertigen.
Gegen 17 Uhr 10 machte sich Thanee auf den Weg ins Innenministerium. Zwei Motorradfahrer eskortierten ihn mit Blaulicht und Sirene. An neuralgischen Kreuzungen stoppten sie den Feierabendverkehr, so dass seine Dienstlimousine freie Fahrt hatte.
Um 17 Uhr 32 betrat er das Innenministerium, passierte die bewachten Sicherheitsschleusen und klopfte zwei Minuten später an der Tür von Porphants Besprechungsraum. Ohne eine Aufforderung abzuwarten, öffnete er und trat ein.
„Entschuldigen Sie Herr Innenminister, der Feierabendverkehr war wieder unerträglich“, begann Thanee unbeeindruckt der Tatsache, dass Porphant sein forsches Hereinkommen offensichtlich missbilligte.
Porphant stand an der Kopfseite des rechteckigen Tisches und deutete mit einer Handbewegung an, dass Thanee sich setzen sollte.
Thanee nahm Platz und legte seine wildlederne Aktenmappe auf den freien Stuhl, der neben ihm stand. Sein Blick schweifte an Porphant vorbei durch das geräumige Konferenzzimmer, über die Bücherregale hinweg, in denen dicke Wälzer verstaubten und über die Porträts ehemaliger Innenminister, die an der Wand hingen. Darunter befand sich eine große Anzahl an Militärs.
„Herr Polizeichef, Sie wollten mich dringend sprechen“, unterbrach Porphant das kurze Schweigen und setzte sich an die Kopfseite des Tisches.
Eins wurde für Thanee schlagartig klar, als er Porhant musterte, der in einem dunklen, eleganten Anzug gekleidet ihm gegenüber saß. Der Sprung zum Innenminister hatte dessen Persönlichkeit verändert. Porphant war jetzt ein Mitspieler auf Augenhöhe, der sich seiner Nähe zum Premierminister bewusst war und seine Macht als Innenminister kannte.
„Wir
Weitere Kostenlose Bücher