Songkran
haben ein Problem. Nein! Ich korrigiere mich, wir haben mindestens zwei Probleme, Herr Innenminister. Einer meiner Polizeioffiziere ist tot, ein anderer liegt schwer verletzt im Krankenhaus. Die Presse belagert das Lumphinirevier und das Polizeikrankenhaus und stellt unangenehme Fragen. Ich bin kein Prophet, wenn ich voraussage, dass die Abendnachrichten aller Fernsehkanäle Gun zum Hauptthema haben werden. Ach so ja, das Mädchen ist natürlich verschwunden und mit ihr hunderte von Kilogramm C4 und…“ Thanee holte theatralisch Luft. „…und Gun hat einen Reporter der Matichon angerufen.“
Hörbar atmete Thanee aus. Er genoss Porphants kurze Sprachlosigkeit. „Ich glaube, dass war alles, Herr Innenminister“, schloss er ab.
„Sie sagten ein Reporter der Matichon. Was hat Gun ihm wohl erzählt?“, fragte Porphant nach einem Moment des Nachdenkens. Falls er nervös war, ließ er sich diese Unsicherheit nicht anmerken.
„Wissen wir nicht! Was wir wissen, es war Guns letzter Anruf vom Handy.“
„Die Matichon also“, grübelte Porphant.
„Das könnte noch Ärger geben. Die Matichon hat sich auf den Premier eingeschossen.“
„Der Premier, oder besser gesagt, ein gewisses Unternehmen, das dem Premier gewogen ist, ist ja dran an der Matichon“, erwiderte Porphant bestimmt.
„Was heißt das?“
„Konkret heißt das, dass dieses Unternehmen versucht, seine Anteile an der Matichon Gruppe zu erhöhen.“
„Eine Übernahme?“
„Genau! Der Premier ist guten Mutes, dass er die Matichon-Gruppe auf seine Seite ziehen kann. Sie kennen doch seine Wutanfälle, wenn er von diesen Schreiberlingen kritisiert wird.“
Thanee nickte zustimmend.
Zu diesem Zeitpunkt ahnten die beiden Männer nicht, dass das Umdrehen der Matichon am Widerstand der Zeitungsredaktion scheitern würde.
„Herr Innenminister, es wird Zeit, die Polizei aus dem Schussfeld zu holen“, wechselte Thanee das Thema.
„Sie meinen, sich selbst aus dem Schussfeld zu holen?“
„Exakt! Deshalb brauche ich einen Fahndungserfolg.“
„Und der wäre?“
„Der Hagere!“
Porphant schluckte, da diese Forderung außerhalb seines Einflusses lag. „Heikel, heikel. Der ist Wangs Mann. Da muss ich mit Khun Sakkarin sprechen.“
„Reden Sie mit ihm. Ich seh da kein Problem. Und sagen Sie Khun Sakkarin, dass der alte Wang sich endlich zur Ruhe setzen soll, sonst muss er vielleicht auf seine letzten Tage noch mal die Luft von Bang Kwang schnuppern.“
Porphant stutzte, weil er nicht wusste, ob diese Drohung ernst gemeint war. Natürlich hegte er keine Sympathien für den alten Wang, aber wenn der Alte fiel, würde auch Sakkarin ins Stolpern geraten.
„Wir können den Hageren aber nicht vor Gericht stellen“, sagte Porphant.
„Keine Sorge, Herr Innenminister, das wird nicht passieren.“
„Gut, ich spreche mit Khun Sakkarin. Sonst noch was?“
„Das war alles für den Moment.“
Thanee erhob sich, griff seine Aktenmappe vom Nebenstuhl und forderte beim Öffnen der Tür: „Herr Innenminister, den Aufenthaltsort des Hageren brauche ich spätestens morgen früh.“
Ohne eine Geste der Verabschiedung zu verlieren, verschwand er aus dem Besprechungsraum.
Während Porphant den Telefonhörer in die Hand nahm, Sakkarin anrief und von dem Gespräch unterrichtete, schritt Thanee durch die Flure des Innenministeriums. Anstatt den Aufzug zu nehmen, entschied er sich für die Treppe. Leichtfüßig nahm er jeweils zwei Stufen auf einmal. Kurz vor Erreichen des Parterre verengte eine Angestellte die Treppe. Bedächtig jonglierte die Frau einen Berg Akten auf den Armen und schlurfte die Treppenstufen nach unten. Thanee ließ sich nicht aus dem Tritt bringen. Mit einem Ausweichschritt nach links überholte er das Hindernis. Seine Bewegungen strahlten die Zuversicht aus, dass die Affäre Gun am nächsten Tag ad acta gelegt werden kann.
Euphorisch trat er in den Vorhof und genoss das Salutieren des Wachpersonals. Eine warme Brise wehte um seine Nase und milderte die Abendhitze. Die Sonnenkugel versank tief im Westen und ihre Strahlen streiften die vergoldete Spitze des Fahnenmastes, unter der die Nationalflagge im Wind flatterte.
Thanee stoppte und nahm Habachtstellung ein. Sein militärischer Gruß galt dem Prinzen Damrong Rajanubhab. Dessen gußeisernes Denkmal residiert auf einem hohen, weißen Steinsockel im Vorhof des Ministeriums. Der hochverehrte Prinz Damrong, Sohn des berühmten König Mongkut, sitzt in einem Stuhl. In Anlehnung an die
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