Sonne, Schnee und Tote
Tatort aufgehalten hatte. Trotzdem drang
Kees‘ Blick endlich zu ihm durch und der Hauptkommissar erriet die Gedanken des
Inspecteurs.
„Keine
Sorge. Die Jungs von der Spurensicherung waren schon da und haben ihre Arbeit
erledigt, Bloemberg. Wir sind schon seit dem frühen Nachmittag hier.“
Der
Inspektor sah verwundert auf die digitale Armbanduhr, die er am linken
Handgelenk trug, ein Geschenk seiner Ex-Frau, Miriam.
17:45 .
Nachdenklich
runzelte er die Stirn.
„Bei
allem Respekt, Hoofdcommissaris, aber wenn das alles passiert ist“, sagte er,
„was soll ich dann noch hier? Sie hatten es bisher offensichtlich nicht eilig.
Wieso dann ausgerechnet vier Stunden später? Ich habe Wochenende und scheinbar
hätten alle Dinge von Belang auch am Montag geklärt werden können ... Verdomme!
… Im Fernsehen läuft grade ein Fußballklassiker.“
In
seinem Inneren kochte eine Wut hoch, die er in den letzten Jahren zu
kontrollieren gelernt hatte. Kees war zwar kein Choleriker, aber aus seiner
schwierigen Jugend hatte er eine ungeahnte Hitzköpfigkeit mitgenommen. Die war
ihm damals in den Rotterdamer Vierteln nützlich gewesen, hatte ihm aber bei
seinem Ziehvater Bert van Helig und auch in den frühen Jahren seiner
Polizeiausbildung teilweise im Weg gestanden.
„Ganz
im Ernst: Was soll ich hier, Hoofdcommissaris? Mal ganz abgesehen davon, und da
wiederhole ich mich gerne noch mal, dass der Wilhelmina-Pier gar nicht mehr zu
unserem Bezirk gehört“, fragte er.
Van
Houden hob eine Hand, legte sie Bloemberg auf die Schulter und setzte einen
ermahnenden Blick auf. Er war immer noch der ranghöchste Polizist im Raum und
konnte es nicht ausstehen, infrage gestellt oder gar in aller Öffentlichkeit
kritisiert zu werden.
„Eins
nach dem anderen, Inspecteur“, brummte er. Seine Stimme klang ruhig und
väterlich, aber auch bestimmt. „Zum einen ist ein gefesselter, gefolterter und
danach getöteter Junge von grade 23 Jahren wichtiger als jedes Fußballspiel und
zum anderen bist du jetzt der leitende Ermittler. Du musst anwesend sein, um
dir ein Bild von der Geschichte zu machen. Ich habe Herrn Hadosh versprochen,
meinen besten Ermittler für diesen Fall aufzubieten. Das bist du. Also verhalte
dich auch so! Das Problem mit der Zuständigkeit ist und bleibt meine Sorge …“
Er
stockte, überlegte, ob er etwas vergessen hatte, und fügte dann hinzu: „Du
hattest zwar nicht viel Zeit, seit wir hier sind, aber vielleicht gibt es
Dinge, die andere übersehen haben … Ist dir etwas aufgefallen?“
Kees
Bloemberg zügelte seinen inneren Groll und atmete tief durch. Es war klar, dass
Van Houdens letzte Phrase lediglich dem Ersticken einer möglichen Diskussion
diente, denn, was sollte er noch Großartiges zutage fördern, nachdem die
Spurenschnüffler ihr Werk verrichtet hatten. Van Houdens Gebaren und
Arbeitsauffassung waren manchmal nur schwer zu durchschauen und weitaus weniger
häufig sachdienlich, als er vielleicht glauben mochte. Trotzdem blieb
Bloemberg, jetzt da er von seinem Vorgesetzten mit Vorschusslorbeeren bedacht
worden war, nichts übrig, als mitzuspielen.
„Also
gut. Schauen wir mal nach“, sagte er, widmete seine Aufmerksamkeit dem Toten
und versuchte, die Anwesenden um sich herum auszublenden. Es gelang ihm nicht.
Er spürte die Augenpaare von Hadosh, Van Houden und Abusif im Rücken, als er
sich auf den entstellten Körper konzentrierte. Langsam umkreiste er den Stuhl.
***
Fred
Maartens schnaubte. Der Dicke würde ihn irgendwann richtig kennenlernen.
„Wir
sind kein Zirkus“, imitierte er seinen Vorgesetzten, zog eine Grimasse und
betrachtete sich dabei im Spiegel.
Und
Kees hat nur mit den Schultern gezuckt … elender Feigling.
Maartens
hatte sich umgezogen, die wenigen Haare auf dem Kopf gekämmt und war bereit
zurückzufahren. Auf seiner Stirn bildeten sich schon wieder die ersten
Schweißperlen. Dieses Wetter war einfach nichts für ihn. Kurz spielte er mit
dem Gedanken, den Fernseher anzumachen, um zu sehen, wie das Fußballspiel lief.
Er verwarf ihn schnell wieder, als er einen Blick auf die Uhr im Badezimmer
warf. Die von Van Houden veranschlagten zehn Minuten waren lange vorbei. Ein
letztes Mal musterte sich Fred im Spiegel, verließ die eigene Wohnung und setze
sich in Bloembergs Auto.
Dank
des geringen Verkehrsaufkommens war er eine halbe Stunde, nachdem der
Hauptkommissar ihn nach Hause geschickt hatte, zurück am Wilhelmina-Pier. An
der Szenerie hatte sich nichts
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