Sonne über Köln (German Edition)
weder
Geschwätz noch Lüge oder Sünde geben. Niemand würde mehr traurig sein. Er sah,
wie er die Bewohner der Hölle verspottete: Diejenigen, die während ihres
Erdenlebens auf ihn und seine Glaubensbrüder herabsahen und nun auf Ewigkeit
die schlimmsten Qualen erleiden würden …
Usama
schaute auf die Uhr. Die halbe Stunde war vorüber. Er nahm das Telefon und
wählte.
"Taxiruf
Köln, Guten Morgen!" Es war die gleiche Frauenstimme.
"Ich
rufe noch mal wegen meinem iPhone an", sagte Usama.
"Ich
habe mehrere Anfragen rausgeschickt. Aber der Fahrer hat sich noch nicht
gemeldet", sagte die Frau.
Usama
schnalzte verärgert mit der Zunge: "Können Sie mir nicht die Handynummer
von dem Mann geben? Dann kann ich ihn direkt anrufen."
"Tut
mir leid", sagte die Frau freundlich aber entschieden. "Wir haben
hier nicht die Handynummern von allen Taxifahrern. Und selbst wenn, dürfte ich
die nicht rausgeben."
"Was
ist mit der Taxinummer?", fragte Usama.
"Die
kann ich Ihnen geben", sagte die Frau. "Sagen Sie mir bitte noch mal,
um welche Fahrt es ging."
Usama
gab ihr die Daten. Dann hörte er wieder das Klappern der Computertastatur.
"Das
ist die Drei-sieben-sieben", sagte die Frau. "Ich kenne den Fahrer
persönlich. Das ist ein ganz lieber Mensch. Wenn Sie Ihr iPhone wirklich in
seinem Taxi liegen gelassen haben, wird der es auf alle Fälle zurückgeben.
Vielleicht hat er schon Feierabend gemacht und meldet sich deshalb nicht. Ich
schicke aber vorsichtshalber noch eine Nachricht raus. Wollen Sie mir nicht
doch Ihre Nummer geben, damit ich Sie gegebenenfalls zurück–"
Usama
unterbrach das Gespräch. Er hatte die Information, die er brauchte.
"Drei-sieben-sieben", murmelte er vor sich hin und schrieb die Nummer
auf.
Toni
gähnte und schaute auf die Uhr. Es ging auf drei zu. Die Nachtschicht war zwar
noch nicht vorüber, doch angesichts der Tatsache, dass er schon seit dem
Nachmittag unterwegs war, dachte er daran, Feierabend zu machen.
Ein
Würgen ließ ihn besorgt in den Innenspiegel schauen. Hinten saß ein Pärchen.
Der Kopf der Frau lehnte kraftlos an der Schulter ihres Begleiters. Ein Zucken
ging durch ihren Körper, als sie abermals ihren Brechreiz unterdrückte.
"Sagt
mir rechtzeitig Bescheid, wenn sich hier jemand übergeben muss! Dann fahr ich
rechts ran", sagte Toni.
"Musst
du?", fragte der Mann.
Die
Frau öffnete ihre Augen einen Spalt und wischte sich träge mit einem
Taschentuch über den Mund: "Es geht schon."
"Hoffentlich",
sagte Toni skeptisch. "Mir hat hier mal jemand alles vollgebrochen. Können
Sie sich vorstellen, was das für'ne Schweinerei war? Der Wagen hat drei Tage
später noch gestunken."
Eine
Nachricht erschien auf dem Display: "Taxi 377 bitte bei der Zentrale
melden–Fundsache". Toni kam nicht dazu die Meldung zu lesen, denn
just in diesem Moment begann die Frau erneut zu würgen.
Er
bremste scharf, sprang aus dem Wagen und riss die Tür hinten links auf, ohne
auf den nachfolgenden Verkehr zu achten. Ein Fahrzeug fuhr hupend vorbei. Die
Frau hielt sich den Mund mit dem Taschentuch zu. In dem Moment, als sie es
wegnahm, schoss ein Schwall heraus. Toni konnte gerade noch zur Seite springen.
Er schaute angewidert zu, wie sich die Frau, halb aus dem Wagen hängend,
übergab.
Der
Mann stieg ebenfalls aus und entschuldigte sich bei Toni: "Ist mir
wahnsinnig peinlich. Ich gebe Ihnen ein gutes Trinkgeld."
Im
Wageninneren erschien erneut die Nachricht auf dem Display: "Taxi 377
bitte dringend bei der Zentrale melden–Fundsache".
Als die
Frau sich entleert hatte, hielt Toni ihr ein Tempotaschentuch hin. Sie bedankte
sich lallend mit hervorgequollenen Augen und wischte sich Mund und Hände
sauber. Der Mann griff Toni an den Arm: "Eh, ist mir echt peinlich. Ich
gebe Ihnen ein gutes Trinkgeld", versicherte er abermals.
"Ist
ja gut!", sagte Toni und befreite sich genervt von seinem Griff.
"Können wir weiterfahren? Ich will Feierabend machen."
Die
Frau nickte gequält.
Usama
ging an der Hand seines Vaters durch das Gassengewirr seiner Heimatstadt. Er
roch die allgegenwärtigen orientalischen Düfte und hörte den Ruf des Muezzins.
Sein Vater führte ihn durch die Bir-Zeit Universität und die Al-Tireh und
erzählte von der goldenen Ära der islamischen Welt, von den wissenschaftlichen
Errungenschaften der islamischen Gelehrten, von einer Zeit, als diejenigen die
heute verächtlich auf die Moslems herabblicken, noch in Höhlen hausten.
Der
Vater schwor seinen Sohn darauf ein,
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