Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun
vorhast.«
»Es ist ganz einfach. Wir helfen dem Jungen, aus der Sache herauszukommen, und finden dann heraus, was es Sri Hong-Owen wert ist«, sagte Hauptmann Neves. »Deshalb habe ich weder Cândido noch sonst jemandem davon erzählt.«
»Bis auf diese Soldatin. Kann man sich darauf verlassen, dass sie den Mund hält?«
»Ihr vertraue ich mehr als dir«, sagte Hauptmann Neves.
»Du solltest lächeln, wenn du so etwas sagst. Dann wäre es beinahe amüsant.«
»Es ist amüsant, wenn ich nicht lächle.«
»Es ist kein schlechter Plan, und er könnte funktionieren. Wenn auch nicht so, wie du dir das vorstellst. Wer ist sie?«
»Das Mädchen? Niemand Besonderes. Ein Flüchtling aus Paris, Dione, die hier mit ihren beiden Vätern lebt. Aber sie hat einen interessanten Kontakt«, sagte Hauptmann Neves. »Einen, von dem wir Gebrauch machen können, wenn wir dem Jungen helfen wollen.«
»Zum sogenannten Widerstand«, sagte Loc. »Sag mir nicht, dass du bereits Bescheid weißt.«
»Sie ist im passenden Alter, und sie kommt aus Paris. Wahrscheinlich war sie verärgert darüber, was wir getan haben, und weil sie mit ihren netten Papas nicht nach Hause kann … War sie aktiv oder einfach nur eine Reisende?«
»Sie ist nie verhaftet worden, aber ich habe Akten mehrerer Freunde von ihr, also hat sie auch eine.«
»Man kann sich problemlos ausmalen, was hier vorgefallen sein könnte«, sagte Loc. »Sie ist gemeinsam mit dem Jungen zurückgekommen. Ein Freund vom Widerstand hat auf sie gewartet, sie haben angefangen zu streiten. Vielleicht hatte sie vor, das Richtige zu tun und zur Polizei zu gehen und alles zu erzählen. Ihr Freund hat es herausgefunden, hat versucht, sie davon abzuhalten und geriet in eine mörderische Wut, als sie sich weigerte. Er hat den Jungen außer Gefecht gesetzt und das Mädchen getötet.«
»So ähnlich«, sagte Hauptmann Neves.
»Ganz genau so. Alles, was wir jetzt brauchen, um unsere Geschichte zu vervollständigen, ist ein Sündenbock.«
»Oh, ich hab da schon eine Idee«, sagte Hauptmann Neves.
»Du Miststück«, sagte Loc liebevoll. »Du genießt das ja richtig.«
»Erzähl mir nicht, dir würde es keinen Spaß machen«, sagte Hauptmann Neves, beugte sich über das tote Mädchen hinweg Loc entgegen, um ihn zu küssen und biss ihn so fest in die Lippe, dass es wehtat.
Der junge Mann, den Hauptmann Neves als Sündenbock ausersehen hatte, war der jüngste von den kämpferischen Freunden des toten Mädchens und wie dieses ein Flüchtling aus Paris, Dione. Hauptmann Neves müsste ihn sich lediglich schnappen und ihn unter Drogen setzen. Dann würde er mit einem üblen Kater in dem Zimmer aufwachen, Blut auf seinen Klamotten, das tote Mädchen am Boden und Soldaten, die gegen die Tür schlugen und verlangten, hereingelassen zu werden … Es wäre ein Fall für den Sicherheitsdienst, weil der Junge mit dem Widerstand in Verbindung stand (genauer gesagt, war er ein Möchtegern-Mitglied, das an ein paar Treffen teilgenommen und ein paar Wände beschmiert hatte, doch Hauptmann Neves hatte vor, ihm diverse Sabotageaktionen anzuhängen), also würde es Einheimischen nicht erlaubt sein, sich dem Tatort oder dem Verdächtigen zu nähern. Es war wirklich ganz einfach, sagte Hauptmann Neves. Als würde man Fische in einem Fass erlegen. Während sie alles vorbereitete, sprach Loc mit dem reuigen Mörder.
Hauptmann Neves hatte ihn in die Wohnkapsel gesteckt, die sie für ihre privaten Verhöre benutzte. Sie hing von einem hohen Ast an einem Feigenbaum am Westrand des Waldes, der das Zelt ausfüllte, das von der Übergangsregierung in Beschlag genommen worden war. Loc entließ die Soldatin, die den Gefangenen bewacht hatte, und trat ein. Der Boden der Kapsel war von dem üblichen halblebendigen Gras bedeckt. Eine Reihe Fullerenstangen war an einer Wand befestigt; ein Paar stählerner Handschellen hing an
der obersten Stange. Das einzige Möbelstück war ein verschrammter Kunststofftisch. Die Gerätschaften, die sonst dort lagen, waren weggeräumt worden, ersetzt durch Flaschen mit Tee, Kaffee und Eiswasser, ein Tablett mit kandierten Früchten und schmackhaftem Gebäck.
Berry Hong-Owen saß vor dem Fenster am anderen Ende der Kapsel auf dem Boden. Er trug einen Papieroverall und hatte eine Decke wie einen Schal um die Schultern gelegt. Er starrte auf den Fußboden zwischen seinen nackten Füßen, ein Vorhang aus strähnigem Haar verdeckte zur Hälfte sein Gesicht. Das Fenster war vollständig
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