Sonnenlaeufer
an diesem Abend geben wollte. Indem er sich die Freude gemacht hatte, Walvis, Ostvel und Tilal zu erheben, hatte er für Pol die Zukunft vorbereitet; bei dem Manöver mit Saumer und Volog war es ebenso gewesen, und nebenbei hatte er seine Prinzen noch prächtig amüsiert, wenn er an ihre funkelnden Augen dachte. Jetzt würde seine letzte Ankündigung kommen. Er warf Andrade einen verstohlenen Blick zu, die sich auf ihrem Stuhl zurücklehnte. Alles an ihr verriet, wie sehr sie diesen Abend genoss. Sie las nichts in seinen Augen – aber Sioned tat es, erhob sich und stand neben ihm und nahm seine Hand in ihre. Dieser Bruch der Etikette – eine Prinzessin, die stand, obwohl dies nur den Prinzen zukam – sorgte für Ruhe in der Halle.
»Es gibt noch ein Land, dem ein Prinz fehlt«, erklärte Rohan leise, eine fast beiläufige Beobachtung, die in den letzten fünf Tagen niemand laut auszusprechen gewagt hatte, zumindest nicht in seiner Gegenwart. »Kein männlicher Erbe, der aus dem Körper des verstorbenen Hoheprinzen hervorgegangen ist, ist am Leben. Seine Töchter haben auf jegliche Ansprüche für sich und ihre Nachkommen verzichtet. Wir waren der Sieger in dem Krieg, den Roelstra begonnen hat und mit dem er das Gesetz verletzt hat. Es war ein Sieg, der errungen wurde durch die unschätzbare Hilfe der Edlen aus Syr und Dorval.« Er brach ab und ließ seinen Blick durch den Saal gleiten, als wollte er sich alle einprägen, die ihm aktive Unterstützung versagt hatten. »Dieser Sieg im Krieg gibt uns das Recht, Anspruch auf die Prinzenmark zu erheben, auf alles Land, alle Besitztümer, alle Titel, auf den Handel und auf alle Reichtümer. Wir fordern dies nicht für uns selbst, sondern für unseren geliebten Sohn, Prinz Pol. Seid Ihr bereit, ihn frei zu akzeptieren?«
Sie konnten nicht anders, aber Rohan war dennoch ein wenig verblüfft über das Ausmaß ihrer Zustimmung. Sie mussten ihn mehr fürchten, als ihm bewusst gewesen war, oder vielleicht fingen sie auch an zu glauben, was Chay und Tobin und Lleyn und Davvi ihnen seit fünf Tagen erzählten: dass Rohan ihre einzige Hoffnung war.
»Wir danken Euch«, sagte er. Sioneds Finger verkrampften sich in seinen eigenen, denn sie wusste, was jetzt kam. Seinen nächsten Schritt hatte sie vorgeschlagen. Chay, Tobin und Ostvel waren anfangs entsetzt gewesen, hatten aber zögernd erkannt, wie weise dieser Zug war. Die eingeschüchterten Vasallen der Prinzenmark konnten nicht so regiert werden, wie Rohan die Wüste regierte – noch nicht. Pol war noch ein Baby. Und es gab niemanden sonst, der wirklich gut über sein zweites Prinzenreich wachen würde.
»Es wird noch viele Jahre dauern, bis unser Sohn alt genug ist, um die volle Verantwortung für diesen Titel zu übernehmen. Deshalb haben wir beschlossen, einen Regenten einzusetzen, der die Prinzenmark regieren soll, bis unser Sohn erwachsen ist.«
Einige von ihnen sahen zu Chay hinüber, andere zu Maarken, obwohl er noch so jung war. Rohan staunte, wie blind sie sein konnten – selbst Andrade, die jetzt vornübergebeugt dasaß, so dass er aus dem Augenwinkel ihr helles Haar sehen konnte. Nicht einmal sie blickte zu der Person seiner Wahl, die unbeachtet dort saß, stumm abwartend.
»Wir ernennen zum Regenten der Prinzenmark Ihre Königliche Hoheit, Prinzessin Pandsala, Faradhi von drei erworbenen Ringen.«
Aufruhr.
Inmitten des Tumults erhob sich Pandsala und schritt graziös zum Ehrentisch. Ihre Schwestern waren benommen von diesem Schock – abgesehen von Kiele, die vor Wut weiß wurde, und Chiana, die aufsprang und aus der Halle stürzte.
Der Aufruhr legte sich. Pandsala stand vor Rohan, ruhig und schlank in einem schlichen, braunen Seidenkleid. Sioned gab ihr einen Ring, der mit dem Topas der Wüste besetzt war sowie mit einem Amethyst von Roelstras Schwert; diesen Ring würde Pol eines Tages tragen, als Prinz beider Länder. Rohan nahm ihre gefalteten Hände zwischen seine, und Sioned legte ihre Finger darauf.
Pandsala blickte mit einem schüchternen Lächeln zu ihnen auf und murmelte: »Ich habe Andrade aus der Schule der Göttin geholt, habe meinen Vater bespitzelt und Euch vor seinen Plänen gewarnt, habe seine Armeen fehlgeführt und Euch unterm Sternenlicht unterstützt. Ich habe alles riskiert, und doch wissen wir alle, dass Ihr mir nie wirklich trauen werdet.«
»Wir verstehen dich, Pandsala«, antwortete Sioned ebenso leise, und Rohan dachte: Wir verstehen den Hass, den du auf deinen Vater und
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