Sonnenlaeufer
Kapitel 1
Prinz Zehava blinzelte in die Sonne und lächelte zufrieden. Die Zeichen für die Jagd heute standen gut: Klauenspuren in den Felsen, Flügelspuren im Sand, und dann die abgefressenen Bittersüßpflanzen am Rande des Canyon. Doch der Prinz war auf so offensichtliche Zeichen gar nicht angewiesen. Er spürte die Gegenwart seiner Beute auf der Haut, roch sie in der Luft, fühlte sie mit jedem Nerv. Die ihn bewunderten, behaupteten auch, ein einziger Blick zum Himmel reiche ihm, zu erkennen, wann die Zeit für die Jagd reif sei. Seine Feinde erklärten, es sei nicht verwunderlich, dass er solche Dinge spüre, denn er selbst sei von Drachen gezeugt.
Tatsächlich ähnelte er einem menschlichen Abbild des Drachens, den er heute jagte. Eine lange, stolze Nase ragte aus einem schmalen, herrischen Gesicht, das nur deshalb nicht rücksichtslos wirkte, weil die Mundwinkel Humor verrieten. An die sechzig Winter hatten seine Augen mit tiefen Falten gerahmt, aber sein Körper war noch immer fest und geschmeidig, er saß aufrecht und locker im Sattel, und sein Rücken war so gerade und ungebeugt wie sein Schwert. Zehava war der stolzeste unter den alten Prinzen; ein Mantel, so schwarz wie seine Augen, blähte sich hinter ihm wie Flügel, als er nun auf seinem mächtigen schwarzen Kriegspferd in die Wüste hinausritt, über die er seit vierunddreißig Wintern herrschte.
»Rücken wir vor, mein Prinz?«
Zehava warf seinem Schwiegersohn einen Blick zu. »Wir rücken vor«, antwortete auch er mit der Formel, die seit Urzeiten hochgehalten wurde. »Und ob wir vorrücken, Chay, es sei denn, dein Schwertarm ist bereits müde.«
Der junge Mann grinste zurück. »Das war nur ein einziges Mal der Fall. Damals, als wir gegen die Merida kämpften, und auch da nur ein wenig und nur, weil Ihr so viele in meine Richtung getrieben habt.«
»Tobin wollte doch mit deiner Geschicklichkeit angeben, und ich konnte meiner Tochter noch nie einen Wunsch abschlagen.« Er hieb seinem Pferd die Fersen in die Flanken, und die Truppe rückte hinter ihm in die Wüste vor. Sie hatten alle sonst üblichen Verzierungen von Zaumzeug und Sattel entfernt, damit sie nicht klirren und so den Drachen warnen konnten.
»Noch zehn Längen, schätze ich«, bemerkte Chaynal.
»Fünf.«
»Zehn! Dieser Sohn des Sturmteufels wird sich in den Hügeln verschanzen und von dort aus zuschlagen.«
»Fünf«, sagte Zehava noch einmal. »Und er wird am Mund von Rivenrock lauern, so wie Hoheprinz Roelstra auf der Felsenburg.«
Chaynal verzog das hübsche Gesicht zu einer Grimasse. »Und ich wollte mich amüsieren! Warum musstet Ihr den nur erwähnen?«
Zehava lachte. Insgeheim jedoch wünschte er, dass dieser prächtige junge Mann sein leiblicher Sohn wäre, sein Erbe. Er fühlte sich Chay viel näher verbunden als seinem Sohn, dem Prinzen Rohan – einem schlanken, ruhigen Jugendlichen, der sich mehr zu Studien und Nachdenklichkeit als zu männlichen Künsten hingezogen fühlte. Rohan war ein zuverlässiger Schwertkämpfer, ein ausgezeichneter Jäger – außer von Drachen –, und ein wahrer Wirbelwind im Kampf mit dem Messer, aber Zehava konnte nicht verstehen, dass diese Dinge seinem Sohn nicht das Ein und Alles im Leben bedeuteten. Rohan fand Geschmack an Büchern und gelehrten Diskussionen, und das ging weit über Zehavas Verstehen hinaus. Als ehrlicher Mann musste er zwar zugeben, dass auch Chaynal noch andere Interessen hatte als Jagd und Scharmützel, aber wenigstens waren ihm diese Dinge nicht wichtiger. Wenn Zehava jedoch nur versuchte, Rohan zu anderen Aktivitäten zu bringen, dann stürzten sich seine Frau und seine Tochter auf ihn wie wütende Drachenweibchen.
Zehava grinste vor sich hin, als er durch die sengende Hitze auf den Rivenrock Canyon zuritt. Tobin hätte sein männlicher Nachkomme sein sollen. Als junges Mädchen hatte sie jeden Knaben ihres Alters beim Reiten und im Messerkampf besiegt. Ehe und Mutterschaft hatten sie zwar besänftigt, aber noch immer war sie zu glutäugigen Wutausbrüchen fähig, die denen Zehavas in nichts nachstanden. In Chaynals Ehevertrag war auch eine Klausel enthalten, die es ihr verbot, einen Dolch mit ins Schlafzimmer zu bringen. Das war natürlich nur ein Witz von Chay, der bei jedem – einschließlich Tobin – brüllendes Gelächter hervorgerufen hatte. Aber immerhin wurde er der Familienlegende hinzugefügt, und Zehava hegte kaum Hoffnung, dass Rohan diese ebenfalls bereichern würde.
Nicht, dass es Tobin
Weitere Kostenlose Bücher