Sonnenlaeufer
sein, denn sein einziges Ziel bestand darin, seinen Samen in seine Weibchen zu versenken, und das machte ihn bösartig und gleichzeitig leichter verletzbar. Obwohl Zehava gesunden Respekt vor diesen Krallen und Zähnen empfand, lächelte er doch auch in der Erwartung eines zehnten Triumphes. Er würde diesen alten Drachen besiegen, und er würde dabei einen Heidenspaß haben.
Fünfzig Längen entfernt saß Prinzessin Milar mit ihrer Schwester Andrade in einer Festung, die von vielen Generationen aus Zehavas Familie in den festen Stein gehauen war. Im Augenblick schwiegen die beiden Frauen; ein Diener war mit kühlen Getränken und Früchten eingetreten und hatte die Zwillingsschwestern bei ihrem stürmischen Wortgefecht über Prinz Rohan unterbrochen.
Nachdem sich der Diener verbeugt und zurückgezogen hatte, funkelte Lady Andrade ihre Schwester an. »Hör endlich auf, den Jungen zu verwöhnen! An Roelstras Hof entwickeln sich Dinge, die Zehava wohl nie verstehen wird. Rohan dagegen kann es!«
»Bezichtigst du meinen Mann etwa der Dummheit?«, fuhr Milar sie an.
»Spar dir deine Theatralik, Milar. Er ist ein brillanter Kämpfer und ein feiner Mann, aber wenn du wirklich glauben solltest, dass der bevorstehende Konflikt mit Waffen zu lösen ist, dann denk besser noch einmal nach. Der Gott des Sturms allein weiß, was Roelstra plant, aber eines ist sicher: Man kann nicht mit einer Armee dagegen angehen.« Sie streckte den Arm aus, angelte sich ein Bündel Trauben aus einer Schüssel und unterzog deren rubinroten Schimmer einer kritischen Inspektion. »Du hältst euer Prinzenreich vielleicht für zu reich und mächtig, um bedroht zu werden. Aber der Hoheprinz ist grundsätzlich nicht in der Lage, zu dulden, dass jemand reicher ist als er. Und Zehava hat seinen Reichtum ja nicht gerade verheimlicht. Ich habe von dem Geburtstagsgeschenk gehört, das er Roelstra gesandt hat.«
»Es harmonierte prächtig mit …«
»Zehavas Dünkel! Zwei Pferde, oder sogar vier, hübsch herausgeputzt, wären in Ordnung gewesen. Aber zwanzig! Und alle in Silber! Er prahlt mit seinem Reichtum, Milar, und das ist gefährlich – wie diese dumme Drachenjagd heute. Er hat schon neun von diesen Ungeheuern getötet, warum braucht er einen zehnten?«
Prinzessin Milar setzte ein Gesicht auf, vor dem ganze Reihen Edler zurückgewichen wären; doch trotz ihres eisigen Hochmuts war ihr Gesicht reizend. »Es ist seine Pflicht, die Wüste von Drachen zu befreien. Außerdem demonstriert er so List und Kraft, die im Krieg schließlich sehr wichtig sind. Daher ist es auch Politik.«
»Es ist Dummheit. Er hätte lieber Rohan losschicken sollen, um diesen Drachen zu töten, damit klargemacht wird, dass sein Erbe über Kraft und Geschicklichkeit verfügt.« Andrade schob eine Traube in ihren Mund und saugte den süßen Saft heraus, ehe sie die Überreste in eine Silberschüssel spie, die für diesen Zweck bereitstand.
»Rohan hat unglücklicherweise keine Lust, gegen Drachen zu kämpfen«, gestand Milar ein.
»Aber er ist Krieger genug, und er hat auch genug Mut«, widersprach Andrade. »Wie er sich beim letzten Kampf gegen die Merida als gemeiner Soldat verkleidet hat, und das, obwohl du ihm verboten hattest, Stronghold zu verlassen …«
»Wir haben uns nie wegen seines Kampfgeistes gesorgt. Aber du weißt, dass er zu viel Zeit mit seinen Büchern verbringt und mit den unmöglichsten Menschen spricht. Ich habe ihn bisher immer verteidigt, aber allmählich stimme ich Zehava zu. Rohan muss lernen, ein ebensolcher Prinz zu werden wie seine Ahnen.«
»Genau das muss er eben nicht! Der Aufbau eines Prinzenreichs ist gute Arbeit für einen Soldaten, und Zehava hat das prächtig gemacht. Er hat zu Ende geführt, was sein Großvater angefangen hat, hat festgehalten, was sein Vater den Merida entrissen hat, und hat das Ganze durch eigene Kraft vergrößert. Ehrlich gesagt«, fügte Andrade nachdenklich hinzu, »kann man es ihm nicht verübeln, wenn er jetzt damit prahlen möchte. Er hat Wunder gewirkt, vor allem gegen die Merida.«
»Wenn ich eine Lektion in Geschichte wünsche, lasse ich nach meinem Barden schicken«, fuhr Milar sie an.
Andrade ignorierte die Bemerkung. »Zehavas Problem ist, dass er jetzt nichts mehr zu tun hat. Ihm fällt nichts anderes ein, als Geld für dich, Tobin und diesen Steinhaufen auszugeben, in dem wir hocken – und seine Zeit mit dem Töten von Drachen totzuschlagen. Glaube mir, liebe Schwester, Roelstra dagegen fällt
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