Sonnentaucher
geschrumpft und eingefroren. Mit dem zerschmetterten Leichnam des Pring auf der B-Seite wußte sie nichts anzufangen. Aber was sie am meisten verblüffte, war Fagin, der mit den kleinen scharfen Krallen seiner Wurzelknollen kopfüber am Deck hing, während der Laser noch immer mit mächtigem Schub arbeitete. Bei ihm hatte die Kälte nicht, wie bei den Menschen, fast ein Viertel der Körperzellen zersprengt, und anscheinend hatte er den holprigen Ritt durch die Photosphäre unversehrt überstanden.
Ohne es zu wollen, war Fagin vom Institut für Fortschritt – der unablässige Beobachter und Manipulator – selber zu einer einzigartigen Persönlichkeit geworden. Wahrscheinlich lebte außer ihm nirgends ein Sophont, der beschreiben konnte, wie es war, kopfüber hängend durch das dicke, undurchsichtige Feuer der Photosphäre zu fliegen. Jetzt hatte er selber auch eine Geschichte zu erzählen.
Es mußte eine Tortur für den Canten gewesen sein: Niemand hatte ihm auch nur ein Wort geglaubt. Bis sie dann Helenes Tapes abspielten.
Jacob begrüßte Pierre LaRoque. Seit ihrem letzten Zusammentreffen hatte der Mann seine Farbe weitgehend zurückgewonnen – von seinem Appetit gar nicht zu reden. Er war dabei, Christiens Hors d’ceuvres zu verschlingen. Er war noch immer an den Rollstuhl gefesselt, und stumm lächelnd nickte er Jacob und Helene zu. Jacob vermutete, LaRoque habe den Mund zu voll, um reden zu können.
Der letzte Gast war ein hochgewachsener, schmalgesichtiger Mann mit blondem Haar und hellblauen Augen. Er erhob sich vom Sofa und streckte die Hand aus.
»Han Nielsen, zu Ihren Diensten, Mr. Demwa. Schon das, was in den Nachrichten gemeldet wurde, macht mich stolz, Sie begrüßen zu dürfen. Natürlich weiß die Geheimnisregistrations-Behörde alles, was auch die Regierung weiß, und so bin ich doppelt beeindruckt. Aber ich nehme an, Sie haben uns hinzugebeten, weil es um eine Angelegenheit geht, von der die Regierung nichts wissen soll?«
Jacob und Helene setzten sich ihm gegenüber auf das Sofa, mit dem Rücken zu dem Fenster, das auf den Ozean hinausging.
»Ja, so ist es, Mr. Nielsen. Genaugenommen geht es um zweierlei: Wir beantragen das Siegel und den Rechtsspruch des Terragenenrates.«
Nielsen runzelte die Stirn. »Es ist Ihnen sicher klar, daß der Rat der Terragenen zum jetzigen Zeitpunkt gewissermaßen noch in den Kinderschuhen steckt. Die von den Kolonien ernannten Delegierten sind noch nicht einmal angekommen. Die Bü... Beamten der Konföderation...« (Hatte er eben das schmutzige Wort ›Bürokraten‹ benutzen wollen?) »...finden schon kaum Geschmack an der Idee, eine supralegale Behörde zur Registration von Geheimnissen zu haben, die der Ehrlichkeit vor dem weltlichen Recht den Vorrang gibt. Der Rat der Terragenen ist bei ihnen noch unpopulärer.«
»Obwohl sich gezeigt hat, daß wir die Krise, mit der wir es seit dem Kontakt zu tun haben, nur damit bewältigen können?« fragte Helene.
»Trotzdem, jawohl. Die Föderatoren haben sich mit der Tatsache abgefunden, daß der Rat irgendwann die Jurisdiktion in interstellaren und interspeziellen Angelegenheiten übernehmen wird, aber es paßt ihnen nicht, und sie bewegen sich furchtbar träge voran.«
»Aber genau darum geht es«, sagte Jacob. »Die Krise war schon vor dem Debakel auf dem Merkur schlimm – so schlimm, daß der Rat ins Leben gerufen werden mußte. Aber man konnte sie handhaben. Dies indessen hat Sundiver wohl geändert.«
Nielsen blickte finster vor sich hin. »Ich weiß.«
»Wirklich?« Jacob stützte die Hände auf die Knie und beugte sich vor. »Sie haben Fagins Bericht über die voraussichtliche Reaktion der Pila auf Bubbacubs kleine Sünden auf dem Merkur gelesen. Und dieser Bericht wurde geschrieben, lange bevor die ganze Geschichte mit Culla ans Licht kam.« »Und die Konföderation weiß alles.« Nielsen verzog das Gesicht. »Sie kennt Cullas Aktionen, seine gespenstische Apologie, den ganzen Kram.«
»Na ja.« Jacob seufzte. »Schließlich ist es ja auch die Regierung. Sie macht die Außenpolitik. Außerdem konnte Helene nicht wissen, daß wir den Schlamassel dort unten überleben würden. Sie zeichnete alles auf.«
»Mir ist es nie eingefallen«, ergänzte Helene. »Bis Fagin mir dann erklärte, daß es vielleicht besser sei, wenn die Föderatoren die Wahrheit nie erfahren, und daß der Rat der Terragenen möglicherweise besser geeignet sei, mit diesem Wirrwarr fertig zu werden.«
»Besser geeignet vielleicht
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