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Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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gefeuert.«
    Sie bedauerte sofort, was sie gesagt hatte. Früher hätte sie ihm den Vogel gezeigt oder gelacht. Wenn sie gelacht hätte, hätte er auch gelacht, sonst nicht. Aber ihr war nicht nach Scherzen
zumute, und er stand jetzt mit verschränkten Armen da wie ein zurechtgewiesener Android.
    »Kleine Mädchen«, sagte er. »Oder etwas Ähnliches. Wird gemacht, Käpt’n.« Grummel, grummel .
     
    »Nein«, sagte Lomax verdutzt. »Niemand auf der Brücke hat so was gesehen. Vielleicht irgendeine Jutie, die zeigen will, was sie draufhat. Over.«
    »Vielleicht eine kleine Pille«, sagte der Ohrhörer verächtlich. »Over.«
    »Was sagt der Cherub?«
    »Sie haben ein Auge drauf.«
    »Ejah, gut, das haben wir auch.«
    Lomax sah sich in dem Labyrinth aus Bildschirmen, Mesoskopen und Postscan-Parallaxen-Äquivalenzern um. Die Blobs hockten zusammengesunken an ihren Pulten, die Leitreihe irgendwo weit draußen im Normalraum verankert. Ihre Lippen flatterten lautlos. Nur eine einsame Abfalldrohne durchbrach die Stille, indem sie beharrlich über den mit Kaugummiflecken übersäten Teppichboden wuselte. Lomax hatte Männer an den Ausgängen, auf der Galerie und an den Liften. Alle bewaffnet und online. Niemand und nichts, egal wie schnell, konnte unkontrolliert passieren.
    Lomax tippte auf ein Kontrollfeld. »Thalamus?«, rief er, die Hand am Ohrhörer. »Schon irgendwelche Daten von dem kleinen Mädchen?«
    Es kam keine akustische Antwort. Die rotglühenden Buchstaben erschienen in Echtzeit auf dem Bildschirm.
    Von der Galerie hing ein stattliches Pin-up der Geheimnisvollen. Lomax lächelte. Die Geheimnisvolle hatte Nachwuchs bekommen.

    Die Nachricht auf dem Schirm lautete: Phänomen unentdeckt. Aktivität nicht identifiziert. Objektivität unbestätigt. Keine Daten.
    »Hast du das bekommen, Clegg?«
    Die Antwort war einsilbig und abweisend.
    »Na dann, grüß mir den Käpt’n.«
     
    In letzter Zeit waren auch andere, ohne Tabeas pharmakologische Entschuldigung, an unvertrauten Orten aufgewacht. Das schien besonders jene zu treffen, die für gewöhnlich allein schliefen. Sarah Zodiak - zu Stunden, die in keinerlei Beziehung zur Stellung der abwesenden Sonne standen - wachte zum Beispiel in einem unbekannten Apartment auf; auf einer Bank in einem kaputten Lift und ausgesprochen häufig in uneingerichteten Tunneln und Höhlen. Und nie war jemand in der Nähe.
    Heute war es ein zerklüftetes Dorf ähnlich der Siedlung an der Langen Insulären Furche, zu der das Trivia gehörte, nur dass es völlig unbewohnt war. Sarah ließ sich von einem Balkon in eine gekrümmte Arkade zwischen gerissenen und abschuppenden Hausfronten hinunter. Im heruntersickernden Licht ließ die beengte Perspektive die Arkade wie ein Bühnenbild mit lauter abgeblockten Seitenlinien aussehen. Und alles war ziemlich weiß. Offensichtlich war das Komitee für Umweltpflege noch nicht bis hier vorgedrungen.
    Sie brauchte eine Weile, bis das pulsende Symbol des J. M. Souviens-Pavillons auf ihrem Armbanddisplay erschien. Lokale Systeme taten sich manchmal schwer, in die thalamischen Hauptbahnen zu finden. Mehr und mehr zogen sich die Bezirke in sich selbst zurück, die wohlhabenderen konzentrierten sich rings um ihr lokales DWW und Chili-Chalet, die ärmeren um eine beliebte Spalte, in der ein üppiger, süßer Pilzschwamm gedieh. Wo immer Sarah herumstreunte, begegneten ihr Leute, die sich
an den Zasterhain und die prächtigen Casinos erinnerten und die einen Bekannten hatten, dessen Freund jemanden kannte, der zu Orbitalzeiten dort ein Vermögen gewonnen hatte.
    Schnee von gestern. Sie schwang sich über die Brüstung und kletterte vorsichtig in einen zugigen, unbefestigten Fußtunnel hinunter, in dem lauter schwärzliche Farnwedel zitterten. Eine weitere Fußstunde brachte sie in eine verlassene Mall, die der Schimmelpilz übernommen hatte. Schigenaga- und Molotow-Moden. Weiche, eklige Teppiche in verblüffenden Blau- und Orangetönen hatten sich auf alle Oberflächen der Fabrik-Outlets gelegt. Die Gauklerin lief durch die verklärten Flure auf der Suche nach einem intakten Taxi.
     
    Das Komitee für Topografie hatte den Verwaltungsrat über die unvorhergesehenen Probleme informiert, die das Straßenschild-Projekt aufgeworfen hatte. Die neue Nomenklatur, teilweise schon in die Tat umgesetzt, war nur zum Teil mit dem alten, touristisch orientierten System kompatibel, das man bereits großräumig demontiert hatte. Tunnel, selbst größere, waren weder

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