Sonnenwanderer
ausdruckslos.
»Du, ich kann doch sehen …«
»Das ist ein Traum von Monsieur Gules, glaub’s mir.«
»Ich dachte, sie könnte sprechen. Kannst du sprechen, kleines Mädchen?«
Sie gab keine Antwort. Er ging hin und streckte den Finger aus, aber wohin sein Finger auch tastete, sie war plötzlich nicht mehr da. Nicht, dass sie sich bewegt hätte, aber man konnte sie nicht berühren.
Nebenan, in Suite No. 2, schrie und wimmerte Gloria herzzerreißend. »Was machen die mit ihr?«, fragte Leglois mit eingezogenem Kopf.
»Komm, sehn wir mal nach.«
Was Leglois hörte, stillte auf der Stelle sein Verlangen, Dog Schwartz aufzusuchen. »Ah, nein, Monk …«
Aber Monk blieb unbekümmert. Er steckte den Schraubenzieher in die Tasche seines vor Dreck starrenden Overalls und ging zur Tür hinaus.
Leglois folgte ihm. Allein mit Monsieur Gules und seinen sichtbaren Träumen wollte er auch nicht bleiben.
Onkel Charlie hielt Gloria ganz oben in einer Zimmerecke gefangen. Die Kraftfeldblase quetschte gegen ihren riesigen Leib und das aufgequollene Gesicht. Da man die täglichen Konstriktionen abgesetzt hatte, hatte sie sich eingekotet; und durch die fürchterlichen Anstrengungen, dem von Dog Schwartz geführten Stachelstock zu entgehen, hatte sie sich über und über damit beschmiert. Ihr Jammern kletterte die Tonleiter der Verzweiflung hinauf …
»Richtig, Dog!«, schrie Onkel Charlie. »Rich-tig! Das bringt sie in die Gänge. Jetzt gib ihr den Kuchen!«
Grinsend hielt Dog einem der Handlanger den Stachelstab hin. Der Mann pflanzte einen ansehnlichen Schoko-Karamellcreme-Kuchen auf den Stachel, und Dog hielt ihn hoch und drückte ihn gegen Glorias Kraftfeld.
Die überdimensionale Patientin hörte nicht auf, ihren Hinterkopf
an die Decke zu schlagen, kreischend und die Augen fest zusammenkneifend, doch die Gier war stärker als die Furcht. Es tat einen scharfen blauen Knacks, dann war der Kuchen in der Kraftfeldblase. Und im nächsten Augenblick war er im Bauch der entsetzlich greinenden Gloria.
»Oho!«, rief Dog Schwartz, während alle anderen anerkennend lachten. Eines konnte Gloria, und das war essen.
»Sie hat ihn regelrecht eingeatmet«, sagte Leglois über die Schulter von Gunky Monkey.
Onkel Charlie schwang seinen Rollstuhl herum, um das Wort an die vornehmen Gäste zu richten, derenthalben sie diese Vorstellung gaben. »Nun, meine Damen, sehen Sie, was Sie bekommen.«
Gloria erschlaffte bereits. Ihr Greinen wurde schwächer, ging in ein quengelndes Wimmern über. Ihre Augen fielen zu; ihre Kraftfeldblase sank.
»Ein Tropfen, verehrte Herzogin!«, sagte Onkel Charlie und zeigte die Flüssigkeit, die dem Kuchen zugesetzt worden war. »Ein Tropfen, Obristin. Ein einziger Tropfen für zweihundert Kilo!« Seine Metallmanschette hob ab, und die steife Hand zeigte auf die erschlaffte Gloria. »Das ist der Stoff, aus dem die ewigen Jagdgründe sind!«, psalmodierte er. »Er pustet dich einfach aus …«
Marjorie Goodself gab zu, dass das Präparat sehr nützlich sein könnte. Sie redete mit ihrer Begleiterin. »Passen Sie mir auf die Hunde auf!«, scherzte sie, stieß sie mit dem Ellbogen an und lachte herzhaft. Sie genoss ihren Einkaufsbummel.
»Die meinen sind gut erzogen«, sagte die Rotmützen-Obristin, eine jüngere und eher nüchterne Person mit karmesinrotem Barett und Überzieher. Sie verschränkte die Arme und drehte den rechten Stiefel auf dem hinteren Rand des Absatzes hin und
her. Jetzt hörte sie, wie die Hunde im Foyer und auf dem Flur spielten und die leichten Stühle herumstießen. Da, wo sie jetzt waren, schienen sie vorerst gut aufgehoben zu sein. Vielleicht kam der Zeitpunkt, wo es ratsam war, sie in ein geordnetes, personalreiches Operationsgebiet zu überführen. Doch für den Moment war die Unterbringung akzeptabel.
Onkel Charlie zupfte an seinem Schnauzbart und saugte Luft ein. »He, ich liebe Ihren Aufzug, Herzogin«, gestand er ihr. »Wirklich ein Augenschmaus …«
Frau Goodself rückte das Rattenpelzcape zurecht. Sie stand auf zehn Zentimeter hohen Absätzen, und wenn sie mit den Schultern zuckte, schien sie das ausgepolsterte Zimmer zu füllen. Obristin Stark wirkte klein neben ihr. Monk stand da, die Fäuste in die Hüften gestemmt, und grinste Dog Schwartz an. Leglois hielt sich im Hintergrund. Er wollte nicht die Aufmerksamkeit der Verrückten Herzogin von Little Foxbourne auf sich ziehen.
»Das war doch ziemlich eindrucksvoll, finden Sie nicht, Bischof?«, tönte die
Weitere Kostenlose Bücher