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Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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ihm peinlich zu sein.
    »Schaffen Sie die Leute von der Brücke«, befahl sie. »Zoe soll mit ihnen reden. Sagen Sie ihnen, sie sollen einen Bericht für Frau Primrose verfassen, damit ich mir ein Bild machen kann. Allmächtiger«, murmelte sie. »Ende des Gesprächs.«
    Nach einem Weilchen sagte sie: »Sollte ich jemals wieder diesen Weg in die andere Richtung wollen, dann hindert mich daran.« Es klang ihr ein bisschen zu kleinlaut, nicht resolut genug.
    Vielleicht bekam sie deshalb keine Antwort.
    Sie sah Kenny an: »Habe ich das schon mal gesagt?«, fragte sie.
    Er grinste nichtssagend, die blaue Zunge hing heraus.
    Tabea wandte sich ab und hieb mit der Faust gegen die
Scheibe des Pango. Sie neigte den Kopf, setzte den kleinen Finger an die eine und den Daumen an die andere Schläfe und massierte.
    Die Tage torkelten um sie herum, leere Gesichter, ungespülte Teller, reihernde Bildschirme. Drogen, Waffen, schmelzende Uhren. Konnte es sein, dass ihr das Wasser bis zum Hals stand?

21
    In den zivilisierten Regionen wurde es Mode, Angst zu haben. Der Chronophobie, die wohl ihre Ursache in den offensichtlichen Zeitfehlern hatte, folgte die Angst vor der Farbe Weiß. Weiße Katzen brachten Unglück. Die Leute beseitigten sie unter dem Vorwand, die Tiere würden sie krank machen oder zu viel Arbeit kosten. In den Promenaden und Durchgangsstraßen hatte das Komitee für Umweltpflege alle weißen Oberflächen in einem geschmackvollen Beige streichen lassen. »Sie gehören zu meinen Lieblingsmotiven«, sagte Rory traurig, als er Antarktis und Archangelsk (Russland) und Aspen (Nordamerika) aus dem Repertoire des Trivia-Fensters löschte. »Der Gast ist König, was will man machen …«
    Partygänger puderten ihre Gesichter schwarz. Marmaduc Flecheur de Brae ging so weit, dass sie Dreadlocks und eine enorme Schildmütze zur Schau trug, was ältere Mitglieder zum Lachen brachte. Das neueste Vergnügen war der kleine vespanische Wanderzirkus. Und wie sie den Radfahrer auf dem Hochseil bejubelten und den venusischen O-Beiner!
    »Da hast du was Feines aufgetan«, sagte Karen Narlikar zu Dorcas Mandebra und hielt ihr die Popcorntüte hin. »Ich wusste gar nicht, dass wir so was hatten. Ach, ist das nicht herrlich?
Bravo!«, schrie sie und pfiff auf den Fingern, als der O-Beiner einen Seelöwen auf der Nase balancierte.
    »Kennt ihr euch schon?«, fragte Dorcas. »Tilt, das ist Karen, meine allerliebste Freundin. Karen, das ist Tilt …« Sie nahm den Knöchel des Zeigefingers an die Lippen. »Ich will ihn nicht in Verlegenheit bringen, indem ich versuche, ihn bei seinem kompletten Namen zu nennen. Tilt ist wunderbar. Er hat alles arrangiert.«
    Es zischte, als der Veranstalter über Karens Hand ehrerbietig Luft abließ. Karen meinte ihn zu kennen, seine Melone und die schicke Fliege. »Sagen Sie, haben Sie nicht diese Keck-Kämpfe im Pfauenpark veranstaltet?«, fragte sie ihn. »Und das Konzert, Surplus , als sie im Merkur-Palast spielten. Das war so toll!«
    Der Vespaner wackelte mit dem Kopf. Mit tiefer Stimme keuchte er: »Het Konzert was voor mein ermordete Frau.«
    »Ermordet?«, entfuhr es Karen; Dorcas war mit einem Mal bitterernst zumute. »Tilt, wie schrecklich. Was ist denn passiert?«
    Niemand kann trauriger aussehen als ein Vespaner. »Mein Frau wurde erschossen, mein Dames, ja, mein Irskoraituen, die so viel Leven geschenkt hat.«
    »Sie meinen, sie hatte viele Kinder?« Dorcas runzelte die geschwärzte Stirn.
    »Ze was een Dokter, mein Dames.« Der Vespaner verdrehte ein eischalenbraunes Auge und atmete geruchsintensiv aus. »Erschossen. Erschossen von ein böse Mann halb Mensch, halb dood, aaahh …«
    »Er kennt den Mörder«, begriff Karen.
    Der Veranstalter pfiff durch die übergroßen Zähne und nickte gramvoll. »Oh, ja.«
    Dorcas schlug die Hand aufs Brustbein. »Wie schrecklich, Tilt!«

    »Wie wär’s mit den Rotmützen?«, fragte Karen und griff ins Popcorn. Er will doch sicher, dass sie auf ihn aufpassen, dein Freund, oder?«, fragte sie kauend.
    »Soll Sir Topas den Schuft zum Duell herausfordern«, sagte Dorcas und lehnte sich über die Reihe davor. »Sir Topas! Sir Topas, hier ist ein Mann, der Genugtuung braucht.«
    Die kastanienbraune Mähne ihres Geliebten flog im Kreis. »Schöne Maid, ich bin meiner Lady verpflichtet und für jede gerechte Sache zu haben.«
    Seine Lady war beschwipst. »Er ist mein Ritter vom Schlafgemach!«, rief sie ausgelassen. »Und er weiß alles über Genugtuung.« Und sie

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