Sonnenwanderer
auf Karten noch in Datenspeichern zu finden, während andere, die sehr wohl erfasst waren, spurlos verschwunden schienen. Die Topografen hatten versichert, dass ein drittes Beschilderungssystem, an dem sie mit Hochdruck arbeiteten, die Ungereimtheiten beseitigen würde und jede Menge Entdeckungen versprach. Zoe Primrose, die den Käpt’n vertrat, äußerte die dringende Bitte, in Sachen Topografie sehr eng mit den von Xtaska bereitgestellten Experten des Thalamus zu kooperieren.
Sarahs Taxi summte wie eine rote Wespe durch die düsteren Tunnel der Postzentralen Windung. An der Kreuzung B19 und Moldawien wurde sie von einem jungen Mann mit rotem Barett
angehalten. Er trug ein schwarzes Hemd mit Flügelärmeln, bückte sich unter dem korrodierten Antennenkabel hindurch und leuchtete mit seiner Taschenlampe ins Innere.
»Guten Morgen, Fräulein Zodiak. Ich muss Sie fragen, wohin Sie um diese Zeit fahren?«
Immerhin wusste er, wer sie war. »Warum sollte ich Ihnen das sagen?«
»Diese Straße ist gesperrt«, erklärte er. »Weiter vorn hat es einen Einsturz gegeben. Ein Truck ist eingebrochen.«
Überall, wo Verkehr war, verschlissen die Straßen. »Und ihr hebt ihn da wieder raus?«
»So ist es.«
»Gut, dann würde ich an Ihrer Stelle mit anpacken«, sagte sie.
Der Junge errötete ein wenig. »Das besorgt ein Bergungsteam, Fräulein Zodiak. Mein Posten ist hier. Verkehrskontrolle.«
»Eine Warnleuchte würde es auch tun«, sagte sie und schaltete auf Zurücksetzen.
Er war so rot wie sein Barett und so steif wie eine Erektion. »Der Stand der Operation ist zufriedenstellend, Fräulein Zodiak, danke.«
Sarah fuhr zur B18 zurück und nahm den anderen Weg. Er führte über das Viadukt und an den leeren Fenstern von Madagaskar vorbei. »Der Stand der Operation ist zufriedenstellend, Fräulein Zodiak, danke«, äffte sie die Rotmütze nach und kicherte. Tabea hatte ihr mal erzählt, dass sie eine Affäre mit so einem Burschen gehabt hatte, da war sie noch ein Teenager gewesen. Schwer vorzustellen. Sie parkte das Taxi und ging hinein. Würde sie jemals ein Teenager werden? Würde sie sich dann auch verlieben?
»Hast du dich nicht mal in einen Polizeikadetten verliebt?«, fragte sie die dunkle Frau im langen schwarzen Ledermantel.
Die Frau dachte kurz nach, dann sagte sie: »Liebe ist eine hormonale Illusion, die entsteht, wenn der Dialog zwischen zwei leibhaftigen Informationsfeldern von sympathischer zu harmonischer Resonanz wechselt.«
Die Gauklerin seufzte und setzte ihr Kinn auf die Faust. »Das weiß ich auch«, sagte sie. »Und was ist mit dem Polizeikadett?«
»Der Beruf gibt kaum Hinweise auf die Identität«, sagte die Frau, ohne weiter nachzudenken.
»Du gibst dir keine Mühe!« Sarah gähnte. Sie wünschte, sie hätte noch Zugang zu Alice. Alice schlug J. M. Souviens um Längen, wenn es um Sympathiereserven ging. Die Gauklerin stöberte, bis sie ein vergessenes Enchilada fand, und ging nachdenklich knabbernd zur Mikrowelle.
Das Imago schwebte über dem Holodeck und erwartete regungslos ihre Rückkehr. Der Lichthof des Imagos lag wie ein Heiligenschein um den dunkelroten Haarbusch. Der Mantelkragen war hochgestellt und umrahmte die arrogante Mundpartie. Wie eine anachronistische altägyptische Göttin kreuzte die Frau eine silberne Spraydose und einen Funkenstab auf der Brust. Kleine runde Spiegelscheiben baumelten wie von einem ständigen Durchzug bewegt von ihren Ohren.
»Diese Spiegelchen«, sinnierte Sarah, »bedeuten - du hältst jemandem den Spiegel vor. Theorie. Richtig oder falsch?«
Das Ariel-Ego gab keine Antwort. Keine Antwort war besser als »Unzureichende Information« .
»Alternative Theorie: Du musst dein eigenes Gesicht sehen. Oft. Egal, wo du hingehst.« Sie nahm das Enchilada aus der Mikrowelle und knabberte. Es war immer noch kalt. Sie legte es zurück. »Also, Geheimnisvolle, was denn nun?« Die Frau schwieg. Alles, was Sarah hörte, war das Trippeln winziger Füßchen.
»Warum siehst du dem Käpt’n so ähnlich?«, fragte sie. »Du bist doch nicht der Käpt’n. Oder bist du der Käpt’n?«
»Identität von zwei Informationsfeldern ist Glück«, sagte die Lichtgestalt. Sie knisterte kurz; die Mikrowelle auch. »Sie existiert nur im Eigenzustand«, fuhr sie ruhig fort, »nicht in der Leibhaftigkeit. Leibhaftige Individualität ist desillusionierend.«
»Jetzt hörst du dich eher wie Xtaska an«, seufzte Sarah und begann in dem Gewirr von Leitungen hinter dem
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