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Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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Café Pause, angelockt von den Fleischportionen auf der Speisekarte und der guten
alten Dampfheizung. Die Klimaanlage arbeitete auf Hochtouren, um den Affengeruch loszuwerden.
    Käpt’n Jute war gekommen, um eine Frau namens Marge Goodself zu treffen, die so etwas wie eine Bürgerbeauftragte des Klementia-Viertels war. Eine Südbritin mittleren Alters mit einem dichten, weißen Rattenpelzkragen und einem Mordshut mit marineblauer Borte. »Ich bin so froh, Käpt’n«, sagte die Britin mit einem unsicheren Lächeln, »dass wir uns hier und nicht in einem muffigen Büro treffen. Nehmen Sie noch ein Stückchen Battenbergkuchen, kommen Sie, bitte.« Diese Goodself war ziemlich bekloppt, stellte Tabea in einem fernen Winkel ihres Gehirns fest, während sie den rosa Kuchen auf ihrem Teller sinnlos zerkrümelte.
    Wieso trug die Bedienung die karierte Ginganuniform des Chili-Chalet? Oder war das jetzt ein Chili-Chalet? Sie warf einen Blick auf Soi und Kenny, die mächtige rote Steaks verputzten. Einen Augenblick lang wusste sie nicht mehr, wo sie hier waren.
    Klementia-Viertel: Diese Gemeinde hatte ihre eigene Polizei aufgestellt. Unerfreulich, fand Tabea. Bullen waren immer unerfreulich. Deshalb hatte sie sie doch von Bord gejagt. Jetzt waren sie wieder da, wie Käfer, die aus den Wänden krabbelten. Sie vermeinte das Klicken der Handschellen zu hören, das Knarren der Uniformen.
    Frau Goodself lächelte ein beredtes Lächeln, eines, das warnen, zumindest aber verunsichern sollte. Sie duldete keinen Widerspruch. »Wir müssen uns schützen«, sagte sie, die kleinen Finger abspreizend, als sie ihren Tee mit beiden Händen an den Mund hob. »Unsere kleine Gemeinde«, strahlte sie über die Tasse hinweg.
    Vor wem eigentlich?, fragte sich Tabea. Kamen die Krähen heraufgeklettert und klauten silberne Löffel oder Messingarmaturen?
Die Frau ging nicht ins Detail. Sie sprach nur von den »Risiken« auf ihrer Seite des Aquädukts. »Es kommt die Zeit, da muss man ein Machtwort sprechen«, sagte Marge Goodself mit fester Stimme.
    Tabea wollte gehen. Das Lokal pulsierte. Die bohrenden Augen dieser Schlange schienen Maß zu nehmen, damit sie wusste, wie weit sie ihren rot geschminkten Mund aufzusperren hatte, um Tabea zu verschlingen.
    »Bitte nicht von Zeit reden«, sagte Tabea.
    Eine Bedienung hinter der Theke bespritzte einen Gast versehentlich mit Sahne-Protein-Schaum und wurde von zwei Kollegen in Handschellen abgeführt. Tabea nahm die Hand an die Stirn. Sie schwitzte. War das wirklich passiert? Niemand sonst schien sonderlich verstört.
    Marge Goodself entschuldigte sich für ihre Taktlosigkeit und strich über das schwere Goldmedaillon, das sie an einer schweren Goldkette um den Hals trug. »Tatsache ist, wir müssen alle äußerst wachsam sein. Sie haben Vorsorge für Ihre Sicherheit getroffen«, sagte sie mit einer winzigen Augenbewegung in Kennys Richtung, »und wir für die unsere.«
    Der Kuchen war ein Hinterhalt, die Frau wollte etwas von ihr. Das Klementia-Viertel wollte, dass sie die Bürgerwehr im Nachhinein billigte.
    »Wir werden sehen«, sagte Käpt’n Jute. »Ich lasse mir die Sache durch den Kopf gehen.« Eine seltsame Wut stieg in ihr hoch. Warum versuchte sie diese bescheuerte Person unter dem lächerlichen Hut und mit der protzigen Goldkette zu beschwichtigen? Sie hob den Kopf. »Kenny!«
    Ihr Leibwächter glitt vom Stuhl und kam angetigert. »Diese Bullen«, sagte sie zu ihm, wohlwissend, dass Frau Goodself das Wort für vulgär hielt. »Im Klementia-Viertel …«

    »New Little Foxbourne«, sagte Marge Goodself und lächelte unbeirrt.
    Käpt’n Jute war erschrocken, als hätte sie ein entgegenkommendes Fahrzeug gestreift. »Was?«
    »New Little Foxbourne gefällt uns besser«, sagte die Vertreterin dieser Gemeinde in ihrem unbeirrt freundlichen Tonfall.
    Käpt’n Jute blickte ihren Beschützer an. Seine Augen waren gelb, die Zunge blau, zwischen den Zähnen hingen noch kleine rote Fleischfetzen. Was war das für Zeug?
    »Die Bullen, Kenny«, wiederholte sie. »In New Little Foxburne«, sagte sie mit einem Seitenblick auf ihre Tischgefährtin. »Du hast sie doch gesehen. Du hast doch gesehen, was sie machen.«
    Sie dachte an den Toten, den man auf der Promenade gefunden hatte, am Fuß der Klementia- oder New-Foxbourne-Treppe. Sie hatte ihn gesehen, nicht leibhaftig, aber in den Nachrichten; gehört, wie Kenny dem Reporter erklärt hatte, dass der Mann einen sauberen Genickbruch erlitten hätte, vor dem

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