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Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Greenland
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Hightech-Gefährt, während die vertraute Titelmusik spielte und der Sender das digitalisierte Geld durch den Bildschirm saugte. »Und was ist mit Prinzessin Wilhelmina? Hat der Anästhesist sie wiedererkannt? Das war doch der Typ vor ihrem Fenster, oder?«
    Die Augen der Ärztin schwenkten vom AV-Schirm zu ihrem greisen Patienten. Obgleich sie nicht wehtaten, knetete sie ihre Ohrtaschen. »Für mir sehe sie alle gleich aus«, meinte sie gelangweilt.
    Der Alte schnaubte vor Vergnügen. »Was? Kommen Sie, Doc! Ich habe die Folge aufgenommen … Selbst Gloria guckt Unlautere Methoden.«
    Das war gut möglich, denn immer, wenn die Soap Opera
lief, starrte Gloria kichernd und weinend auf den Schirm. Aber das tat sie auch, wenn etwas anderes lief. In Wahrheit tat sie nichts anderes als kichern und weinen und in ihrem maßgeschneiderten Kraftfeld durch Suite No. 2 tapern und sich mit Wurst und süßem Reisbrei trösten … Der Vorspann nervte. Die astrologischen Mandalas an den Wänden glühten purpurrot im Widerschein. Die Luft war völlig unpassend mit Weihrauch geschwängert.
    Dr. Irsk war gekommen, weil der greise Mensch über einen mysteriösen Schmerz in der Brust geklagt hatte. Nach ein bisschen Zeitverschwendung, wozu auch ein kleiner Schmierdienst am Rollstuhlgetriebe gehörte, war der Schmerz so mysteriös verschwunden gewesen, wie er sich eingestellt hatte. Trotzdem wollte der Alte, dass sie noch blieb, während er sich Unlautere Methoden ansah. Das war typisch. Der Mann war einsam, keine Frage. Aber genauso fraglos manipulierte er das Personal, einschließlich Dr. Irsk.
    »Roman, ich glaube nicht, dass du dir über die Tragweite deiner Worte im Klaren bist« , sagte das AV eben.
    Die Vespanerin setzte ihre voluminösen Knie gegeneinander und wuchtete sich von der Couch in die Vertikale. »Ich muss gehe«, sagte sie. »Muss gehe, für nach andere zu sehe, Onkel Charlie.«
    Sie gab sich redlich Mühe mit seinem Namen. Er regte sich manchmal auf, wenn sie ihn falsch aussprach. Und ein aufgeregter Onkel Charlie war gefährlich. Er konnte durch den Flur toben, seinen Skooter ins Mobiliar rammen, so dass medizinisches Gerät und Medikamente durch die Gegend flogen. Er hatte schon Schwestern in die Enge getrieben und mit seiner welken Hand traktiert. Wenn ihm danach war, spielte er jedes Sedativ an die Wand, egal wie hoch die Dosis war.

    Onkel Charlies Skooter wirbelte plötzlich herum und versperrte der Ärztin den Weg. »Nein, Mann, hören Sie«, jammerte er, »Sie müssen doch eine Meinung haben! Als Ärztin, meine ich! Welche Diagnose? Sagen Sie schon!« Es bereitete ihm Vergnügen, sie zu drangsalieren. »Da, sehen Sie?« Er deutete mit dem Kinn auf den Bildschirm. »Sie wissen, wer das ist. Das ist Dr. Nauheim, richtig? Das ist der, der hinter Romans Tochter her ist.«
    »Stark«, sagte Dr. Irsk in der Hoffnung, ihn durch ein Wort seines Jargons friedlich zu stimmen.
    »Stark! Genau!«, stöhnte Onkel Charlie glücklich. Die Farben auf dem Bildschirm flackerten und wechselten. Die Ärztin hatte keine Ahnung, was da gezeigt wurde oder was es zu bedeuten hatte.
    »Selbstverständlich gibt es Hoffnung, Jonas!«, dröhnte das AV gefühlvoll. »Es gibt immer Hoffnung!«
    »Ich muss gehe und komm später terug«, versprach Dr. Irsk mit sanftem Nachdruck. Sie richtete sich zu voller Größe auf und wäre notfalls über den Rücken der Couch geklettert.
    Ihr greiser Patient schüttelte den Kopf. Das lange graue Haar unterhalb des Stirnbands folgte der Fliehkraft.
    »Nein«, sagte er. »Ich will nicht, dass Sie gehen, Doc.« Er klang völlig besonnen. Ihre empfindlichen Ohren vernahmen das leise Winseln von Servos, als sich irgendetwas in den Innereien seines Hightech-Stuhls bewegte.
    »Ich habe etwas für Sie«, sagte er.
    Die Ärztin hielt eine Flosse in der anderen, womit sie Entschlossenheit und Ungeduld signalisierte. »Her damit«, sagte sie.
    »Egal, was sie sagen …«
    Die verchromte Metallmanschette um Onkel Charlies linkes Handgelenk löste sich mit einem winzigen Winseln von der Armlehne. Das Magnetkissen trug sie samt Hand empor,
ungewöhnlich hoch empor diesmal. Wie der Tötungsknochen eines Schamanen deuteten die dürren Finger auf den Busen der Ärztin.
    »Adieu, Doc.«
    Etwas fauchte aus einer winzigen schwarzen Öffnung im Bug des Skooters und schlug ein großes rotes Loch in Dr. Irsk. Japsend, quietschend, sich windend, als sich alle ihre Blasen krampfartig entleerten, kippte die Ärztin um und fiel

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