Sonntags bei Tiffany
StraÃenblocks von der Wohnung entfernt gewesen, doch Vivienne hatte sie kein einziges Mal dorthin begleitet.
Michael stöhnte, als Janes Taxi vor der 535 Park Avenue hielt â doch sie stieg nicht aus.
Stattdessen trat der Portier ans Fenster. Er schien glücklich zu sein, sie zu sehen, warf ihr ein breites Lächeln zu und tippte an seinen Hut. Jane wirkte weniger traurig, als er zurücklächelte und ihr zwei groÃe Briefumschläge reichte. Die beiden klatschten sogar gegenseitig ab.
Dann fuhr Janes Taxi weiter.
Okay. Zumindest wohnte sie nicht mehr bei Vivienne. Michaels Taxi folgte, bis das von Jane an der Ecke 57th Street und Park Avenue hielt. Der Portier trat an den Wagen und öffnete ihre Tür.
Michael reichte dem Taxifahrer rasch einen Zwanzig-Dollar-Schein, lieà Jane aber nicht aus den Augen. Sie schnappte sich ihre Tasche und legte sich ihren schwarzen Mantel über den Arm.
Sie sah, nun ja, hinreiÃend aus. Sehr erwachsen. Sehr attraktiv. Es war komisch, die kleine Jane Margaux so zu sehen. Als Frau. Jane lächelte den Portier herzlich an, er lächelte zurück. Sie war dieselbe alte Jane, wie Michael sie gekannt hatte. Jedem gegenüber freundlich, mit jedem gut Freund. Immer ein Lächeln für ihr Gegenüber.
Michael stellte sich hinter einen riesigen Blumenkübel. Er kam sich lächerlich vor wie ein Kind, das jemandem nachspioniert, doch irgendetwas zwang ihn zu bleiben. »Mr. McGrath ist vorbeigekommen«, berichtete der Portier. »Ich sollte Ihnen ausrichten, falls Sie vorher noch nach Hause kommen, dass er heute Abend vielleicht nicht zum Essen kommen würde.«
»Danke, Martin. Aber er hat es doch noch geschafft«, erwiderte Jane, biss sich allerdings auf die Lippen.
Der Portier blieb mit der Hand an der schweren Glaseingangstür stehen. »Wirklich, Miss Jane?«
Jane seufzte. »Nein, Martin, er kam nicht.«
»Miss Jane, Sie wissen, was ich denke.«
»Ich weiÃ, ich weiÃ. Ich bin ein Einfalltspinsel. Ein Idiot.«
»Nein, Miss Jane«, widersprach der Portier energisch. »Mr. McGrath ist der Idiot, wenn Sie mir verzeihen. Sie verdienen jemanden Besseren als ihn.«
Michael hinter dem Pflanzkübel konnte dem nur zustimmen. Jane hatte ihrem Gegenüber die Stirn geboten! Jetzt war er sich absolut sicher, dass diese Frau seine Jane von damals war. Er hatte sie ohnehin auch an ihrer Stimme erkannt. Sie klang reifer, tiefer, hatte aber noch ihre charakteristische Färbung. Und nach all der Zeit lieà sich Jane immer noch verletzen. Ihre Mitmenschen enttäuschten sie immer noch, behandelten sie nicht wie den wertvollen Menschen, der sie war. Was sollte das? Wie konnte jemand sie verletzten?
Und auch Michael war einer derjenigen gewesen, der sie verletzt hatte, musste er sich beschämt eingestehen. Er hatte ihr wehgetan. Doch er hatte keine andere Wahl gehabt! Er hätte daran nichts, absolut gar nichts ändern können! Jedenfalls hatte sie ihn ohnehin am nächsten Tag vergessen. Damit zählte die Tatsache, dass er sie verletzt hatte, eigentlich nicht. Anders als die Sache mit diesem fiesen McGrath.
Aber warum war Michael ihr wiederbegegnet?
Sie hatte das Haus betreten, in dem sie wohnte. Doch plötzlich stand Martin, der Portier, neben dem Pflanzkübel und blickte misstrauisch auf Michael hinab.
»Kann ich Ihnen helfen, Sir?«
Michael zuckte zusammen und richtete sich auf. »Nein ⦠äh, danke. Das bezweifle ich. Ich gehe lieber mal weiter.«
»Ja, Sir. Ich dachte gerade das Gleiche.«
VIERZEHN
M eine Mutter hatte alles getan, auÃer sich tatsächlich vor die Wohnungstür zu werfen, um mich davon abzuhalten, nach dem College von zu Hause auszuziehen.
»Ausziehen? Quatsch! Warum, um alles auf der Welt, solltest du ausziehen? Raoul ist hier! Ich bin hier! Jane-Herzchen, mit mir und Raoul und dem chinesischen Restaurant auf der Lexington hast du alles, was du dir wünschen kannst.«
Ja, Mutter. Alles auÃer Privatsphäre, ein Leben und vielleicht meine Gesundheit.
»Du kommst ohne mich nicht zurecht!«, hatte Vivienne behauptet. »Wer wird dir helfen, deine Kleider auszusuchen? Dich daran erinnern, dich an deine Diät zu halten? Dich bei deinem praktisch nicht vorhandenen Liebesleben unterstützen? Ach, was mich daran erinnert â meine Freundin Tori hat mir die Nummer von ihrem Cousin gegeben, und ich glaube wirklich, du solltest
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