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Sonntags bei Tiffany

Sonntags bei Tiffany

Titel: Sonntags bei Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patterson James
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betrachtete sich ihre Kurven. Das war nichts Neues. In New York blickte er immer hinter den Frauen her. Diese hier wirkte, als würde sie versuchen, tapfer zu sein und das Beste aus ihrer Situation zu machen. Lächelnd erinnerte er sich plötzlich an die Art, wie die kleine Jane Margaux …
    Aber da …
    Eine bestimmte Drehung des Kopfes …
    Die Art zu gehen … irgendwie »heiter«.
    Das war komisch … nein, das konnte nicht sein.
    Aber wie sie die Arme schwang …
    Hm, vielleicht … ein Blick in seine Richtung. Diese Augen. Nein, nicht auch noch diese Augen!
    Sie war es! Sie musste es sein. Aber das war doch nicht möglich.
    Oder doch?
    Ihr Haar war nicht gelockt wie damals bei dem Mädchen,
aber es war immer noch blond. Sie trug einen lockeren schwarzen Mantel, ihre große Ledertasche war halb Handtasche, halb Aktentasche.
    Michaels Kiefer klappte nach unten. Es war völlig unmöglich, aber es musste Jane sein!
    O Gott, dies war seine Jane Margaux! Dort ging sie, keine fünfzehn Meter von ihm entfernt.
    Der Hot-Dog-Verkäufer blickte ihm misstrauisch nach, als Michael sich vom Stand fortschlich.
    So etwas war ihm noch nie passiert, wunderte sich Michael. Noch nie war er einem seiner Kinder als Erwachsenem begegnet.
    Jane ging langsam und schien in Gedanken versunken zu sein. Also verfolgte er sie ebenso langsam, während er versuchte zu entscheiden, was er als Nächstes tun sollte. Ihm kam nichts in den Sinn – keine Worte, keine Idee, kein gar nichts.
    An der Ecke Sixth Avenue und Eighth Street winkte sie nach einem Taxi und erwischte auch sofort eines. Sie rannte los, sprang hinein und schlug die Tür zu. Michael zögerte, auch wenn er wusste, was er eigentlich tun sollte – sie fahren lassen und die Sache als seltsamen Zufall abtun.
    Aber genau das tat er nicht. Stattdessen hielt er das nächste Taxi an, das die Eighth Street entlangraste. Dem Fahrer sagte er etwas, was er schon immer hatte sagen wollen: »Folgen Sie diesem Taxi!«
    Folgen Sie Jane.
    Er konnte nicht anders.

DREIZEHN
    D er Taxifahrer drückte gleich so kräftig aufs Gaspedal, dass Michaels Kopf gegen die Kopfstütze gedrückt wurde. Diese Situation war völlig absurd. Wieso traf er auf eines seiner Kinder, das erwachsen geworden war? Das war ihm noch nie passiert. Warum gerade jetzt? Was hatte das zu bedeuten? Mit geschlossenen Augen betete er, erhielt aber wie üblich keine Antwort. Zumindest in dieser Hinsicht erging es ihm wie allen anderen auch – er hielt sich hier an diesem Ort aus irgendeinem Grund auf, den er aber nicht kannte. Eines war jedoch sicher: Je länger er hier war, desto »menschlicher« fühlte er sich. War dies der springende Punkt – dass er menschlicher wurde? Wozu sollte das gut sein?
    Und was wusste Michael schließlich über sich selbst? Jedenfalls nicht so viel, wie er gerne wissen würde. Er hatte ein begrenztes Gedächtnis für die Vergangenheit, konnte sich nur verschwommen an Gesichter und unbestimmte Zeiträume erinnern. Er hatte keine konkrete Vorstellung, wie lange er schon diese Arbeit machte oder um wie viele Kinder er sich gekümmert hatte. Mit Sicherheit wusste er, dass er seine Arbeit liebte, vielleicht bis auf im Durchschnitt einen Tag im Monat. Und im Durchschnitt blieb er vier bis sechs Jahre lang bei einem Kind, bevor
er gehen musste, ob er wollte oder nicht. Oder ob ihn das Kind gehen lassen wollte oder nicht. Dann hatte er eine kleine Pause, wie jetzt. Eines Tages würde er in einer anderen Stadt aufwachen, und in seinem Innern würde er wissen, um welches Kind er sich kümmern musste. Andererseits wurden alle seine Bedürfnisse befriedigt. Er war kein richtiger Mensch, aber auch kein Engel – er war nur ein Freund. Allerdings ein verdammt guter.
    In der Zwischenzeit jagte das Taxi mit Jane die Sixth Avenue hinauf.
    Es bog nach rechts auf die Central Park South, gefolgt von Michaels Taxi.
    Wieder nach links auf die Park Avenue.
    Fuhr sie in die Wohnung ihrer Mutter? Oh, Jane, nicht! Sag nicht, du wohnst noch bei deiner Mutter! Er zuckte zusammen, als ihm klar wurde, dass ihr zu folgen ein schrecklicher Fehler war. Er erinnerte sich an Vivienne Margaux, an ihr Ego, das größer war als ihre Persönlichkeit. Sie hatte die Sonntagnachmittage mit Jane verbracht und sie hin und wieder auf die Wange geküsst, aber das war’s dann auch gewesen. Janes Schule war eineinhalb

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