Sonntags bei Tiffany
los.
»Wir müssen reden«, sagte er. Ein Schauder lief über meinen Rücken.
ACHTUNDSIEBZIG
D ie warme Sonne beleuchtete den Friedhof wie eine Bühne. Das Grün der Bäume, die leuchtenden Farben der Blumen, alles schien zu knistern und zu vibrieren. Warum also zitterte ich?
»Wunderbarer Tag«, sagte ich.
Michael lächelte. »Selbst der liebe Gott will es sich mit Vivienne nicht verscherzen.« Er hatte seine Krawatte gelockert und die Jacke ausgezogen, über die Schulter gehängt und einen Finger in die Schlaufe gehakt. Sehr Michael, der immer er selbst war.
»Jetzt wissen wir also, warum ich nach New York geschickt wurde«, begann er. »Und warum ich diese Ahnungen zum New York Hospital und zu dem ganzen Rest hatte.«
Ich nickte, ohne ein Wort zu sagen.
»Ich war hier, um deiner Mutter zu helfen. Dessen bin ich mir fast sicher.«
Ich blieb stehen und blickte ihn an.
»Aber du bist immer noch hier.«
Er lächelte. »Ja, anscheinend. Sofern ich nicht wirklich dein imaginärer Freund bin, wäre das möglich.«
Ich boxte ihm in den Bauch.
»Spürst du das?«
»Aua, ja. Und mittlerweile schneide ich mich ziemlich regelmäÃig beim Rasieren.«
Es entstand eine Pause. Michael blinzelte mit seinen grünen Augen in die grelle Sonne.
»Ich denke, ich bin hier, weil ich hier sein will. Und weil du der einzige Mensch bist, den ich je geliebt habe. Ich bin hier, weil ich es nicht ausgehalten habe, dich zu verlassen, Jane.«
Ãberwältigt drehte ich mich zu ihm und küsste ihn zärtlich.
»Ich habe aber noch Fragen, auf die ich eine Antwort möchte«, verlangte ich.
»Ich weià nicht, ob ich Antworten habe. Aber ich werde es versuchen.«
»Also gut. Fangen wir mit was Schwierigem an. Hast du je ⦠äh ⦠zu Gott gesprochen?«
Michael nickte. »Ja, natürlich. Ganz oft. Leider hat er oder sie oder wer auch immer nie mit mir gesprochen. Nächste Frage.«
»Dann glaubst du an �«
»Hm, wie soll man all das« â er blickte sich um â »sonst erklären? Oder mich? Oder uns? Oder die Snocones, Pokemon, die Simpsons, das amerikanische Rechtssystem oder iPods?«
»Ich verstehe. Dann bist du ein Engel?«
»Manchmal. Aber ab und zu bin ich eine Art frecher Bengel.« Er grinste und blinzelte mich an. »Ich versuche nur, ehrlich zu sein.«
Ich stampfte mit dem Fuà auf. Ich brauchte eine Antwort. »Bist du ein Engel, Michael?«
Er blickte mir tief in die Augen. »Ich weià es ehrlich nicht, Jane. Ich vermute, ich bin wie alle anderen. Ich habe keine Ahnung.« Er nahm mich wieder in seine Arme. »Schau mich an, spüre mich«, flüsterte er. »Wir haben es bis hierher geschafft.«
Wir gingen weiter.
»Michael, ich muss dich noch was fragen. Eine Sache, die mich wirklich beunruhigt. Wirst du immer so aussehen wie jetzt?«
»Ausgesprochen hübsch, salopp und ungekämmt?«
»Das trifftâs ziemlich gut.«
»Du meinst, ob ich jemals älter werde?«
»Ja.«
»Ich weià es ehrlich nicht.«
»Du musst mir versprechen, dass wir nicht nur zusammen älter werden, sondern dass wir auch äuÃerlich gemeinsam altern. Das würde mir viel bedeuten.«
»Ich werde mein Bestes tun, um Runzeln und einen Buckel zu bekommen, und ich werde einen groÃen, schwarzen Buick fahren.«
»Danke«, sagte ich. »Ich verpflichte mich, es dir gleichzutun. Und wie stehtâs mit Geld? Wie wirst du an Geld herankommen?«
»Das ist einfach.« Michael schnippte mit den Fingern.
Nichts passierte. Er runzelte die Stirn und schnippte noch einmal.
»Eigenartig«, murmelte er. Immer wieder schnippte er, aber nichts passierte. »Das ist ja beängstigend. Normalerweise komme ich so an mein Geld. Und an ein Taxi, wenn es regnet.«
Er versuchte es noch einmal.
»Nichts. Mich beim Rasieren zu schneiden ist eine Sache. O je, ich muss mir Arbeit suchen. Vielleicht als Boxer.«
Ich versetzte ihm wieder einen Stoà in seinen Bauch.
»Vielleicht doch nicht als Boxer.«
SchlieÃlich stellte ich die schwierigste Frage, die mir am meisten Angst machte. »Wirst du bei mir bleiben, Michael? Oder wirst du mich wieder verlassen? Sag es mir. Ich möchte es ein für alle Mal wissen.«
NEUNUNDSIEBZIG
M ichael verdrehte die Augen, was mir ein etwas besseres Gefühl gab. Dann
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