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Sorry

Titel: Sorry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Drvenkar
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Frauke.
    Zwei Gänge weiter wühlt Tamara in einem Haufen Socken. Frauke steckt sich Daumen und Zeigefinger in den Mund und pfeift einmal. Tamara schaut auf, Wolf winkt und Frauke sagt:
    – Wenn das mal kein Zufall ist.
    Wolf zuckt unmerklich zusammen. Zufälle sind für ihn eine Erfindung von Menschen, die nichts mit ihrem Leben anfangen können. Sobald etwas schiefgeht, machen sie einen auf hilflos. Läuft es gut, suchen sie nach einer Erklärung dafür, warum es gut läuft. Ihnen fehlt der Mumm zu sagen: Dies und das passiert mir, weil ich bin, wie ich bin. Der Zufall ist Wolfs große Schwachstelle. Seit Erins Tod versucht er Antworten auf Fragen zu finden, auf die es keine Antworten gibt. Hätte ich, wäre ich. Der nicht existierende Zufall hat ihn kalt erwischt, und Wolf hofft auf Revanche.
     
    Kris küßt Tamara und Frauke zur Begrüßung, es ist offensichtlich, daß er sich über ihren Besuch freut. Als die Frauen reingegangen sind, umarmen sich die Brüder.
    – Wie schlimm war es? fragt Wolf.
    – Geht so. Der Chef konnte sich nicht vernünftig entschuldigen. Du weißt, wie ich das hasse. Er hat gemeint, ich soll mal bei der taz anklingeln. Kannst du dir vorstellen, wie ich da anklingle?
    Wolf schüttelt den Kopf.
    – Danke, sagt Kris und sie gehen in die Wohnung.
    Tamara und Frauke haben die Küche eingenommen. Frauke ist dabei, das Gemüse zu waschen, während Tamara den Kühlschrank durchstöbert und Joghurt, Tofu und Soßen rausstellt. Es ist wie Familie , denkt Wolf und stellt seine Tüte mit den Büchernauf dem Boden ab. Kris legt ihm den Arm um die Schultern und sagt etwas, das Frauke zum Lachen bringt. Tamara wirft mit einer Zwerg aubergine nach Kris und trifft Wolf. Sie lachen. Sie wirken, als wären sie ohne Ballast. Wolf wünscht sich, es wäre wirklich so.
     
    Wir nähern uns dem Anfang. Du bist jetzt bereit für die Gegenwart und weißt, wer deine Wege kreuzen wird. In den nächsten Tagen wirst du noch mehr über Frauke, Tamara und Wolf erfahren. Kris hingegen wird dir ein Rätsel bleiben. Er wird dir zwar nahekommen, aber dennoch für dich nicht greifbar bleiben. Alle deine Bestrebungen, seine Motivation und seinen Hintergrund aufzudecken, werden im Sand verlaufen. Du wirst die Distanz zwischen euch bis zum Finale nicht überbrücken können. Aber damit mußt du dich jetzt nicht beschäftigen.
    In wenigen Minuten nimmt alles seinen Anfang.
    Es ist Mitternacht.
    Vier Menschen sitzen in einer Wohnung. Sie haben viel geredet, sie haben gegessen und getrunken und sind froh, wieder zusammengefunden zu haben. Aus den Boxen kommt der Gesang von Thomas Dybdahl, von der Straße steigt die jammernde Sirene eines Krankenwagens herauf, dann ist es wieder still, und Berlin atmet weiter. Ruhig und bestimmt.
    Vier Freunde sitzen in einer Wohnung. Sie haben mehr Niederlagen als Siege vorzuweisen. Sie leben von ihrem Dispo, hoffen auf die große Liebe und kaufen bei Aldi ein, obwohl sie Aldi hassen. Alle vier haben bis zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung, wohin sie unterwegs sind. Hätte es der Zufall gewollt, wäre Tamara nicht ans Telefon gegangen und würde noch immer auf ihrem Bett liegen und lesen. Frauke wäre mit ihrem Frust bei einem ihrer drei Lover gelandet, und Wolf hätte den Tag vor der Uni verbracht und wäre am Abend mit Kris ins Kino gegangen. Hätte es der Zufall gewollt, wäre nichts von dem hier geschehen.
    Der Zufall hat an diesem Tag aber nichts zu sagen.
    – Ich muß mal pinkeln, sagt Kris und verschwindet aufs Klo.
    Wolf reicht den Joint an Tamara weiter. Sie schüttelt den Kopf und sagt, ihre Augen seien zu trocken, sie könne nichts mehr rauchen, dann kriecht sie auf allen vieren zur Anlage, um die CD zuwechseln. Wolf versucht, ihr auf den Hintern zu schlagen, und verfehlt ihn um einen halben Meter. Frauke bettet ihren Kopf auf seinen Oberschenkel. Tamara legt Elbow auf. Guy Garvey singt I haven’t been myself of late, I haven’t slept for several days . Wolf findet, daß der Mann Bescheid weiß. Tamara sagt, bei ihrem letzten Orgasmus hätte sie Blumen gerochen. Sie sagt nicht, daß sie bei ihrem letzten Orgasmus alleine unter der Dusche stand und an einen Schauspieler dachte. Wolf will es auch gar nicht so genau wissen. Er spürt Fraukes Atem auf seinem Oberschenkel und versucht, eine Erektion zu unterdrücken. Die Spülung rauscht. Kris kommt aus dem Bad und bleibt im Türrahmen stehen. Er betrachtet seine Freunde, als hätte er sie tagelang nicht gesehen. Dann sagt er:
    –

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