SOS am Gipfelkreuz
beachtete ihn nicht weiter und wandte sich wieder diesem blöden iPod zu. Benny hatte das Gefühl, irgendetwas in ihm würde gleich überkochen.
»Benny?« Sein Vater holte ihn aus seinen düsteren Gedanken zurück.
»Ja?«
»Anna meint das nicht so!«
»Kann schon sein, aber doof sind die trotzdem!«, murmelte Benny leise.
Verlockendes Glitzern
Am nächsten Morgen wurde Benny wach, als die beiden Väter, Max Weißhaupt und zwei jüngere Pärchen aus ihren Betten krochen und mit Poltern und Rumpeln das Matratzenlager verließen. Zuerst wollte er noch liegen bleiben, aber er konnte nicht mehr einschlafen und stand schließlich auf.
Als Benny dann kurze Zeit danach in den Gastraum kam und seinen Blick über die Wandergruppe schweifen ließ, war er mit einem Schlag hellwach. Alois Gegenbauer! Als auch der Alte Benny entdeckte, lächelte er ihm herzlich zu und zeigte auf den freien Platz neben sich.
»Na, bist aber schon früh auf den Beinen! Gut geschlafen?«
»Ja! Obwohl ich noch lange wach gelegen bin.«
»So! Und warum?«
»Weil ich an die Rettungsaktion und an Ihre Söhne denken musste! Das muss toll sein, wennman drei Söhne hat, die alle so gut klettern können!«
»Ja. Wie der Vater! Na, und wie’s ausschaut, wird der Vater heute deinen Vater mit auf den Berg nehmen, oder?«
»Was? Echt, Sie sind der Führer? Krass!«
Alois schmunzelte.
Das Frühstück verlief ansonsten recht schweigsam. Die Müdigkeit stand den meisten von ihnen noch ins Gesicht geschrieben.
»So, Freunde …«, als Alois das Wort ergriff, war allen klar, dass es jetzt bald losgehen würde. »Wie ihr gestern gesehen habt, ist der Berg kein Kinderspielplatz. Wir gehen heute eine Route, die gute acht Stunden dauern wird. Am Ende geht es den Steig durch die Mangbach-Klamm hinunter. Dort müsst ihr nicht klettern, aber ein Spaziergang wird’s auch nicht. Und wer Höhenangst hat, sollte sich jetzt noch mal überlegen, ob er wirklich mitwill. Wenn wir losgegangen sind, gibt’s nur noch einen Weg, und den müssen wir zusammen gehen!«
Während der Alte sprach, sah Benny verstohlenzu seinem Vater hinüber. Er blickte gleichmütig auf Alois und packte dabei seine Brotzeit ein. Benny wusste, dass er und Annas Vater nicht zum ersten Mal in der Bergen waren. Und eine gute Kondition hatten sie sowieso. Auch Herr Weißhaupt sah durchtrainiert aus. Ob er aber tatsächlich Bergerfahrung hatte?
Wenig später wurden Stühle gerückt, Bergstiefel fest zugeschnürt und kleine Tagesrucksäcke auf die Schultern gehoben. Bennys Vater zwinkerte seinem Sohn aufmunternd zu.
Als die Wanderer schweigend den Pfad in Richtung Westen betreten hatten, ging Benny ihnen in großem Abstand noch ein Stück weit hinterher. Es war kühl an diesem Morgen. Die Sonne hielt sich noch hinter den östlichen Bergspitzen versteckt und Benny war froh, dass er jederzeit zurück in die warme Hütte schlüpfen konnte. Vorerst setzte er sich aber auf einen der großen, hellen Felsen, die wie Schneeflecken auf einer Wiese rings um die Berghütte herum verstreut aus dem Boden ragten.
Die Gruppe, allen voran der sehr kraftvoll, aber ruhig ausschreitende Alois, verschwand jetzt immerhäufiger hinter den Felsbrocken. Selbst durch sein Fernglas konnte Benny schon bald nur noch die Silhouetten der Wanderer erkennen.
Als sie endgültig außer Sicht waren, raffte sich Benny auf und lief fröstelnd vor Kälte zurück ins Haus.
»Na, Wetterprophet?«
Benny prallte zurück, als Dorian plötzlich vor ihm stand. Er hatte offensichtlich im Schuhlager gleich hinter der Eingangstür auf der Lauer gelegen.
»Hat’s dir die Sprache verschlagen?«
»Was? Ich … also …« Benny hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Immer wenn man mal eine schlagfertige Antwort brauchte, fiel einem nichts ein.
»Mensch, Junge, bloß keine Vorträge. Also dann, ich werd mal frühstücken. Bestimmt ist Anna auch gleich da.«
Benny, der sich wie ein Idiot vorkam, ging in den großen Schlafraum. Was sollte er tun? Er wollte auf keinen Fall das Anhängsel von Anna und Dorian sein. Wütend schlug er mit der Faust gegen einen derdicken Eichenbalken und ließ sich dann rücklings auf sein Bett fallen.
Nach ein paar düsteren Minuten griff er nach dem Wetterbuch in seinem Rucksack. Gestern Abend hatte er sich blamiert. Sein Wetterbericht war zum Lachen gewesen. Einen Moment lang hatte er das Gefühl, überhaupt nichts zu wissen.
Was soll’s
,
dachte er schließlich, was nicht ist, kann ja
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