Soul Beach 1 - Frostiges Paradies (German Edition)
Konstruktionswunder ist, aber das würde vielleicht nicht so gut bei ihr ankommen.
»Und das hier ist Javier, er kommt aus Spanien.«
Javier ist der mit dem überzogenen Gehabe. Er winkt mir träge zu, rührt sich jedoch nicht vom Fleck. »Ich würde dich ja umarmen, aber das hat hier ja eh keinen Zweck.«
»Ich hätte gedacht, du wärst Italiener«, sage ich.
Er zieht ein mürrisches Gesicht wie ein schlechter Schauspieler. »Ich hasse Italiener. Alles nur Show, keine Substanz.«
Was angesichts der Tatsache, dass diese Worte von einem Toten kommen, ziemlich ironisch wirkt.
»Und, last but not least, Danny.«
»Hi, Alice.« Er erhebt sich wie ein wohlerzogener Junge, der er mit Sicherheit auch ist. Größer, als ich erwartet hatte. Vielleicht achtzehn? Entweder im Abschlussjahr an der Highschool oder er hat gerade an irgendeiner amerikanischen Eliteuni angefangen.
Erst dann fällt mir ein, dass er nicht mehr an der Uni sein kann – schließlich ist er tot. Bei Meggie kommt es mir nicht mehr so eigenartig vor, weil ich Monate hatte, um mich an ihren Tod zu gewöhnen. Aber Leuten vorgestellt zu werden, die nicht mehr am Leben sind, muss so ungefähr das Seltsamste sein, was mir je passiert ist.
Dannys wissende Augen blicken in meine. Sie sind undurchdringlich grün, aber es ist nicht die Farbe, die meine Aufmerksamkeit erregt. Es ist die Intensität seines Blicks, die Sehnsucht darin. Ich glaube nicht, dass das an meiner atemberaubenden Schönheit liegt: Ich weiß, wie Verlangen aussieht, und das hier ist etwas anderes.
Vielleicht ist es das Verlangen danach, wieder lebendig zu sein.
Ich zwinge mich, den Blick abzuwenden. »Hallo zusammen«, sage ich zu ihnen allen.
Javier versucht gar nicht erst, seine Langeweile zu verbergen, aber Danny lächelt. »Deine Schwester hat uns viel von dir erzählt. Schön, dich hier zu sehen. Ich hoffe, du bist nicht allzu verwirrt über … na ja, diesen ganzen verwirrenden Kram hier.«
»Setz dich«, fordert Triti mich auf und macht mir Platz auf ihrer Stufe. »Megan freut sich ja so, dass du endlich gekommen bist. Sie dachte schon, du würdest nie auf ihre Nachrichten antworten.«
»Was aber total verständlich ist«, fügt Danny hinzu. »Krieg bloß kein schlechtes Gewissen, Alice. Ich habe meinen kleinen Bruder auf die gleiche Art zu kontaktieren versucht, aber von ihm habe ich gar nichts gehört.«
»Bei meinem Bruder brauche ich es gar nicht erst zu versuchen«, erklärt Triti. »Der konnte mich ja schon nicht leiden, als ich noch lebendig war.«
Ich sehe Javier an. Er zuckt mit den Schultern. »Einzelkind.«
Ich nicke. Das passt. »Also, wie ist das, dürfen nur Geschwister hierherkommen?«
»Tja, also es wird einem nicht gerade ein Leitfaden in die Hand gedrückt, wenn man ankommt, aber ich habe ein bisschen rumgefragt«, antwortet Danny.
»Auch ’ne Art, die langen, trägen Tage hier schneller rumzubringen«, meint Javier.
»Ich denke, es kann jeder sein, zu dem man eine starke Verbindung hat, solange er auch jung ist«, erklärt Danny, »ansonsten dürfte er nicht an den Strand.«
»Wir wollen hier ja schließlich keine Falten sehen oder gar irgendwas, das runterhängt«, witzelt Javier.
»Beachte ihn am besten gar nicht«, sagt Danny. »So machen wir das alle. Aber im Ernst, die Verbindung scheint bei Blutsverwandten einfach stärker zu sein. Ein paar Leute haben natürlich auch versucht, ihre Freunde zu kontaktieren, aber von denen ist niemand hier aufgetaucht, also wissen wir nicht, ob es überhaupt funktioniert.«
Mir fällt noch etwas anderes ein. »Ich hab hier nirgends einen Laptop gesehen.«
Meine Schwester grinst. »Es läuft ein kleines bisschen primitiver ab.« Mit dem Kinn deutet sie in Richtung Strand, wo zwei Mädchen am Wasser stehen. Die eine hält eine Flasche in der Hand, die andere versucht, etwas auf ein Stück Papier zu kritzeln, das im Wind flattert. Schließlich faltet sie den Zettel zusammen, drückt einen Kuss darauf und nimmt dann die Flasche. Sie steckt die Nachricht hinein, verkorkt das Ganze und nach einem weiteren Kuss auf die Flasche wirft sie sie ins Wasser. Dort treibt sie ein bisschen an der Oberfläche, bis eine Welle kommt und sie mit sich trägt. Das Mädchen starrt noch lange, nachdem die Flasche verschwunden ist, hinaus aufs Meer.
»Per Flaschenpost?«, frage ich ungläubig.
Und dann fällt mir wieder ein, wie seltsam Meggies Handschrift in der letzten Mail ausgesehen hatte. Als wäre die Tinte
Weitere Kostenlose Bücher