Soul Beach 1 - Frostiges Paradies (German Edition)
das, was hier üblich ist. Heute trägst du ein leuchtend rotes T-Shirt, das deine Augen grüner wirken lässt, und einen kurzen Jeansrock, der deine sehr hübschen gebräunten Knie betont.«
»Die sind doch überhaupt nicht braun. Das Wetter war diesen Sommer totaler Mist.« Wobei ich das auch nur aus der Zeitung weiß; ich habe ja kaum das Haus verlassen.
»Tja, für mich siehst du jedenfalls ziemlich knackig aus, Florrie. Aber na ja, hier sehen ja alle knackig aus.«
»Ist mir auch schon aufgefallen. Und wenn man eine totale Hackfresse hat, wo kommt man dann hin? Haben die Hässlichen ihren eigenen Himmel?«
Sie guckt ernst. »Ich habe gehört, der ist auf ’nem Müllhaufen, und wenn man hinkommt, muss man sich seine Klamotten erst mal zwischen den ganzen Konservendosen und verfaulten Essensresten hervorsuchen.«
»Im Ernst?«
»Mein Gott, Florrie, du glaubst einem auch immer noch alles, was? Nein, es gibt kein Casting, um an den Soul Beach zu kommen. Das Gute am Totsein ist, dass man mit einem Mal perfekt ist. Hier, guck …«, sie hebt das Handgelenk, »… meine Trampolinnarbe.« Sie lässt den Finger über die vollkommene, haarlose Haut gleiten.
Ich sehe noch mal genauer hin. »Sie ist nicht mehr da.«
Sie lacht. »Nein. Und ich hab auch keinen einzigen Pickel mehr. Keine Periode, kein PMS, keine Kopfschmerzen, keinen Kater. Natürlich gibt’s hier genug Alkohol, aber der hat keine negativen Auswirkungen und nach einer Weile betrinken sich die Leute gar nicht mehr, weil sowieso schon alles so verdammt wunderbar ist.«
Plötzlich fällt mir ein seltsam schriller Unterton in ihrer Stimme auf.
»Saufen, so viel man will, und trotzdem schießt sich keiner ab?«
Meggie nickt in Richtung einer Gruppe skandinavisch aussehender blonder Jugendlicher, die ein Stück entfernt auf einer Decke sitzen und picknicken. »Guck mal genau hin. Was siehst du?«
Ich starre sie ewig lange an und versuche, darauf zu kommen, warum sie mir so ein unbehagliches Gefühl einflößen. Das Picknick ist unglaublich üppig, mit leuchtend grünen Salaten, frischen, saftigen Pfirsichen und Nektarinen, gegrillten Hamburgern und Hühnchen, Baguette, Schokoladenkuchen, Erdbeeren und Sahne.
Zum ersten Mal seit Tagen, nein, seit Monaten, verspüre ich richtig Hunger; mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Und dann erst die Getränke: Karaffen mit rubinroter Sangria, in der Orangenscheiben und Eiswürfel schwimmen, ein ganzer Eimer voller Bierdosen, Weißwein in beschlagenen Flaschen.
Dann begreife ich, was an diesem Bild nicht stimmt.
»Die trinken ja gar nichts. Und essen tun sie auch nicht. Sind die auf Drogen?«
»Nein«, antwortet Meggie. »Nach einer Weile … das ist schwer zu erklären. Irgendwann befriedigt es einen einfach nicht mehr so wie früher. Hat wahrscheinlich was damit zu tun, dass wir nicht mehr lebendig sind.«
Mir kommt ein anderer Gedanke – ein etwas unbehaglicher. »Und was ist mit Sex?«
Jetzt lacht sie laut heraus, ihre Anspannung löst sich. »Tja, das gibt es auf jeden Fall. Ohne Risiko und immer, wenn man Lust darauf hat, besonders mit den ganzen Neuen, die gerade erst hergekommen sind. Die flippen total aus, sobald ihnen klar wird, dass man hier keine Kondome braucht – keine Krankheiten, keine ungewollten Schwangerschaften.«
Ich versuche nicht darüber nachzudenken, ob meine Schwester wohl zu Beginn auch so wild unterwegs war. »Aber könnt ihr Berührungen denn wirklich spüren? Zwischen Geistern, meine ich.«
»Psst!« Sie guckt entsetzt. »Benutz ja dieses Wort nicht. Wir sind keine Geister. Ich weiß zwar nicht, was wir sind – verlorene Seelen vielleicht? –, aber auf jeden Fall keine Geister.«
»Tut mir leid.«
Meggie lächelt. »Muss es nicht. Ist schon alles komisch anfangs, oder? Also, ja, Sex fühlt sich hier auch gut an. Ist natürlich nicht dasselbe, ein bisschen … distanziert, irgendwie. Weißt du, wenn man jemanden zum ersten Mal küsst, dann ist es doch bei jedem anders, auch wenn es ja eigentlich auch nur eine Variation desselben schlabbrigen Themas ist, stimmt’s?«
Ich habe überhaupt erst zwei Jungen geküsst, aber das muss ich ihr ja nicht auf die Nase binden. »Hmm?«
»Sex ist hier so leicht zu bekommen und … immer so gleich, dass ich manchmal etwas Echtes vermisse, und wenn es auch nur so alltäglich und unappetitlich ist wie ein Zungenkuss. Außerdem ist es komisch, dass alle hier so gut aussehen. Unterschiedliche Farben, unterschiedliche Frisuren … aber
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